Sachverständigenrat rechnet mit deutlich weniger Wachstum "Teufelskreis aus Schulden- und Bankenkrise"

Stand: 09.11.2011 12:05 Uhr

In diesem Jahr wird das deutsche BIP noch um drei Prozent zulegen - im kommenden Jahr nur noch um 0,9 Prozent. Die fünf Wirtschaftsweisen rechnen mit einer deutlichen Abkühlung der Konjunktur, ausgelöst durch die Schuldenkrise. Und diese Krise könnte auch für eine noch schlechtere Entwicklung sorgen.

Die fünf Wirtschaftsweisen rechnen im kommenden Jahr nur noch mit einem Wirtschaftswachstum in Höhe von 0,9 Prozent. Zwar werde die Konjunktur in diesem Jahr noch kräftig um drei Prozent zulegen - die Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland hätten im Herbst dieses Jahres aber noch zugenommen, warnten die Mitglieder des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bei der Übergabe ihrer Prognose an Kanzlerin Angela Merkel. Die Wirtschaft im Euroraum befinde sich "in einem Teufelskreis aus Staatsschulden- und Bankenkrise, und die politischen Unwägbarkeiten verunsichern nach wie vor die Märkte" heißt es in ihrem Jahresgutachten. Einige Tendenzen erinnerten "fatal" an die Lage im Jahr 2008, dem Beginn der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise.

Geringes Wachstum nur dank Inlandsnachfrage

Bei einer Eskalation der Schuldenkrise befürchten die Wirtschaftsweisen sogar einen Konjunktureinbruch. "Im Falle einer Stagnation des Welthandels würde Deutschland in eine Rezession geraten." Das Bruttoinlandsprodukt würde 2012 voraussichtlich um 0,5 Prozent sinken, sollte die Krise nicht auf die Eurozone beschränkt bleiben. Am wahrscheinlichsten ist für Forscher aber das Basisszenario, wonach die heimische Wirtschaft um 0,9 Prozent zulegt. Die Belebung der Binnennachfrage schiebe das Wachstum im kommenden Jahr entscheidend an, während der Außenhandel es dämpfe.

Entscheidend sei, die Verunsicherung im Zusammenhang mit der Schuldenkrise zu beenden. "Unerlässliche Voraussetzung dafür ist allemal die Umsetzung einer glaubwürdigen Konsolidierungspolitik der öffentlichen Haushalte in den Problemländern", heißt es in dem 435-Seiten langen Jahresgutachten. "Der Ball liegt jetzt in ihrem Spielfeld."

Harsche Kritik am Kauf von Staatsanleihen durch EZB

De Wirtschaftsweisen warnten die Europäische Zentralbank vor dem Verlust ihrer Glaubwürdigkeit durch ihre Staatsanleihenkäufe für Problemstaaten der Eurozone. "Die Anleihekäufe setzen die Marktdisziplin außer Kraft, ohne an deren Stelle eine wirksame politische Disziplinierung zu etablieren", mahnten die Wirtschaftswissenschaftler. Die Grenzen zwischen Geld- und Fiskalpolitik würden "auf ordnungspolitisch äußerst bedenkliche Art verwischt". Die Wirtschaftsweisen greifen damit eine Kritik auf, die zuvor bereits die Bundesbank und der scheidende EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark geäußert hatten.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat mittlerweile Staatsanleihen von Euro-Schuldenländern wie Griechenland und Italien im Volumen von mehr als 180 Milliarden Euro in der Bilanz. Unter dem neuen EZB-Präsidenten Mario Draghi forcierte die Zentralbank ihre Käufe zuletzt sogar. Die Wissenschaftler gehen in ihrem Gutachten zugleich davon aus, dass die EZB die Leitzinsen bis zum Ende des Jahres auf 1,0 Prozent kappen und das geldpolitische Niveau im kommenden Jahr konstant halten wird. Die EZB hatte in der vergangenen Woche den Schlüsselzins überraschend auf 1,25 Prozent gesenkt und eine Rezession in der Eurozone zum Jahresende nicht ausgeschlossen.