Olaf Scholz in Brüssel

Wettbewerbsfähigkeit der EU Nur nicht den Anschluss verlieren

Stand: 19.04.2024 00:41 Uhr

Die EU will im internationalen Wettbewerb nicht abgehängt werden. Besonders Kanzler Scholz macht mit Blick auf die Wirtschaft beim Gipfel in Brüssel Druck. Doch um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, braucht es Geld - und Taten.

Dieser EU-Gipfel brachte das klare Bekenntnis zur Vollendung der Kapitalmarkt- und Bankenunion. Auf europäischer Ebene gäbe es ein enormes Finanzvolumen, das mit Blick auf Erneuerbare Energien, Digitalisierung oder geopolitische Krisen endlich aktiviert werden müsse. Deshalb brauche es eine Vereinheitlichung der europäischen Kapitalmärkte, auch nach Meinung von Bundeskanzler Olaf Scholz.

Wahrscheinlich sei der nicht ausreichend entwickelte Kapitalmarkt in Europa die wesentliche Ursache, warum die Wachstumsdynamik in Europa nicht so groß wie an anderen Plätzen der Welt ist, erklärte der Kanzler. Er verwies dabei auf die USA. "Es geht ja darum, dass wir die sehr umfassenden Spareinlagen, Geldanlagen nutzen, um Wachstum privatwirtschaftlich zu finanzieren", sagt Scholz. "Und wenn wir das nicht machen, dann sind für große Vorhaben eben nicht genug Finanzmittel möglich."

Aufgaben für die kommende EU-Kommission

Im Juni wollen sich die 27 Staats- und Regierungschefs wieder mit dem Thema befassen. Außerdem beauftragten sie die EU-Kommission, konkrete Vorschläge für die Lösung vieler noch ungeklärter Fragen zu erarbeiten. Dabei geht es um die europaweite Harmonisierung des Insolvenzrechts oder eine Anpassung der Steuersysteme sowie die Überwachung der Finanzmärkte oder die Absicherung von Bankguthaben.

Diese Themen werden vor allem Aufgaben für die kommende EU-Kommission nach den Europawahlen im Juni sein. Genauso wie das Thema Handelsabkommen, bei dem endlich mehr passieren müsse. So sei bei dem Gipfel von vielen kritisiert worden, dass es beispielsweise beim Mercosur-Freihandelsabkommen nicht vorangehe, wie Scholz in der abschließenden Pressekonferenz sagte.

Er habe auch als deutscher Kanzler sehr klar gemacht: "Wir haben die Handelspolitik als eine Kernkompetenz der europäischen Politik an die Kommission gegeben, nicht damit keine Abkommen geschlossen werden, sondern damit mehr Abkommen abgeschlossen werden." Wenn das Ergebnis daraus sei, dass zu viele Abkommen erst zehn oder gar 20 Jahre verhandelt und nicht fertig würden - dann sei das ein Problem.  

 

Auch auf der Agenda: Ukraine und Nahost

Beschlossen wurden bei diesem Gipfel auch neue Sanktionen gegen das Raketen- und Drohnenprogramm des Irans. Vor allem will man gegen die Umgehung der bereits bestehenden Strafmaßnahmen vorgehen.

Ein anderes Thema war die Ukraine, die zunehmend in die Defensive gerät. Es komme jetzt darauf an, dem Land schnell zu helfen, vor allem bei der Flugabwehr, wie Bundeskanzler Scholz erneut betonte. Zumindest bei einigen seiner Kollegen fand er ein offenes Ohr - wie bei dem Niederländer Mark Rutte, dem sehr wahrscheinlich nächsten NATO-Generalsekretär. "Es ist absolut notwendig mehr zu tun", betonte Rutte. "Ich bin sehr froh, dass Deutschland ein weiteres 'Patriot'-System liefern will, zusätzlich zu allem, was schon alles geliefert wurde."

Die USA und Großbritannien würden bereits eine Menge tun, aber in der EU sei Deutschland bei Waffenlieferungen die absolute Nummer eins. Man werde in den kommenden Tagen beraten, wie auch andere Länder noch mehr tun könnten. "'Patriots' sind da natürlich die erste Wahl für die Luftverteidigung der Ukraine. Doch gibt es Alternativen, die nicht so gut, aber wirkungsvoll sind", sagte der niederländische Regierungschef.

Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte in seiner Videobotschaft an die Gipfelteilnehmer mehrere Systeme aufgezählt, die es alternativ zu "Patriot"-Batterien auch sein könnten. Doch brauche man die Luftverteidigung jetzt. Ob und wie dieser Bedarf gedeckt werden kann, wird auch Thema der für Freitag einberufenen Sondersitzung des NATO-Ukraine-Rats sein, zu dem sich der ukrainische Präsident ebenfalls wieder zuschalten lässt.  

Matthias Reiche, ARD Brüssel, tagesschau, 18.04.2024 20:48 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 19. April 2024 um 07:40 Uhr.