Bundesbankchef mahnt zur Eile bei Schuldenkrise "Es ist keine Zeit mehr zu verlieren"

Stand: 14.11.2011 11:53 Uhr

Bundesbankchef Weidmann hat Europas Staaten aufgerufen, ihre Probleme schnell anzugehen und die Schuldenkrise zu bewältigen. Forderungen, die EZB solle auch mit der Notenpresse helfen, wies er zurück - und die zunehmenden politischen Beeinflussungsversuche seien "gefährlich".

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann fordert die europäischen Staaten bei der Bewältigung der Schuldenkrise zur Eile auf. Die Zuspitzung der Krise zwei Wochen nach dem letzten Gipfel zeige, "dass keine Zeit mehr zu verlieren ist", sagte Weidmann laut Redemanuskript zum Auftakt der "Euro Finance Week" in Frankfurt am Main. Um der Staatsschuldenkrise Herr zu werden, müsse Europa sich drei Herausforderungen stellen: "Erstens und zuvorderst sind die einzelnen Länder gefordert, ihre hausgemachten Probleme entschlossen anzugehen", sagte Weidmann. Zweitens müsse die Vereinnahmung der Europäischen Zentralbank (EZB) für finanzpolitische Zwecke "zum Ende kommen". Drittens forderte Weidmann "einen politischen Richtungsentscheid über die Zukunft der Währungsunion".

Glaubwürdigkeit der EZB steht auf dem Spiel

Massiv wehrte er sich gegen zunehmende Forderungen einer Finanzierung der europäischen Schuldenkrise mit der Notenpresse. "Die Geldpolitik kann und darf Solvenzprobleme von Staaten und Banken nicht lösen", sagte Weidmann. Er reagierte damit auf Forderungen aus den USA, Frankreich und Großbritannien, die Währungsreserven der Euro-Notenbanken heranzuziehen, um den europäischen Rettungsschirm EFSF schlagkräftiger zu machen. Die EZB kauft bereits in großem Umfang Staatsanleihen der Schuldenstaaten - eine auch intern umstrittene Maßnahme.

Weidmann warnte: Die "zunehmende Vereinnahmung der Geldpolitik" durch die Politik sei gefährlich. "Wenn die Geldpolitik ihr Mandat, Preisstabilität zu gewährleisten, immer weiter dehnt oder schließlich sogar gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung verstößt, steht nicht weniger auf dem Spiel als ihre Glaubwürdigkeit, die sie sich mit ihrem Einsatz für Geldwertstabilität über Jahrzehnte und auch gegen Widerstände erarbeitet hat."

Gegen Aufspaltung von Banken

Die auch in Deutschland geforderte Zerschlagung von Banken ist nach Einschätzung von Weidmann keineswegs der Königsweg aus der Krise. "Wir dürfen uns hier nichts vormachen. Erstens ist eine Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken, die nicht nur juristisch, sondern auch wirtschaftlich wirksam ist, schwierig umzusetzen", erläuterte Weidmann. Zudem hätte ein System von Trennbanken die aktuelle Krise auch nicht verhindern können, argumentierte er: "Brandbeschleuniger" sei der Zusammenbruch des US-Instituts Lehman Brothers im Herbst 2008 gewesen - und das war eine reine Investmentbank.

Es gebe wirkungsvollere Maßnahmen, um Banken und das Finanzsystem insgesamt krisenfester zu machen. Weidmann nannte insbesondere höhere Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen für die Institute. Zudem plädierte er für zusätzliche Auflagen für systemrelevante Akteure - "egal ob es sich um eine Geschäfts- oder Investmentbank oder eine Versicherung handelt".

"Es kommt auf den politischen Willen an"

Zuversichtlich zeigte er sich im Hinblick auf die Lage in Italien. Trotz hoher Zinslasten werde das Land seine Schuldenprobleme unter dem neuen Regierungschef Mario Monti in den Griff bekommen. "Das Land kann die gegenwärtigen Schwierigkeiten noch aus eigener Kraft lösen", sagte der Bundesbankchef. "Worauf es ankommt, ist hier der politische Wille", sagte Weidmann, der auch dem EZB-Rat angehört.

Die neue Zuspitzung der Krise nur zwei Wochen nach dem EU-Gipfel zeige aber, dass keine Zeit mehr zu verlieren sei. Die Schuldenländer seien gefordert, ihre "hausgemachten Probleme" entschlossen anzugehen. "So schmerzhaft der Anpassungsprozess im Einzelnen auch ist, für eine Rückkehr auf einen soliden Wachstumspfad mit tragfähigen Staatsfinanzen sind wirtschaftliche Reformen und Konsolidierung unerlässlich und müssen jetzt ergriffen werden", forderte der Bundesbank-Chef.