US-Banken in der Kritik Zwangsräumung - trotz neuen Kredits

Stand: 09.11.2010 12:15 Uhr

Viele US-Hausbesitzer hatten bereits aufgeatmet - es war ihnen gelungen, neue Kreditverträge mit niedrigeren Zinsen zu vereinbaren. Das Haus schien gerettet, das Schlimmste überstanden. Und plötzlich kündigte die Bank dennoch die Zwangsräumung an.

Von Rüdiger Paulert, WDR-Hörfunkstudio Washington

Mark Forster aus Lake Oswego im US-Staat Oregon öffnete die Haustür, um mit einem Nachbarn zu sprechen, als ihm ein Zettel auffiel, der an die Tür geklebt worden war - die Ankündigung einer Zwangsräumung. Forster fiel aus allen Wolken, hatte er doch gerade mit seiner Bank und mit staatlicher Unterstützung niedrigere Zinsen und eine längere Laufzeit für seine Hypothek vereinbart.

Die eine Hand weiß nicht, was die andere tut

So wie Forster ging es in den vergangenen Monaten vielen Hausbesitzern in den USA. Sie glaubten, ihr Haus nicht räumen zu müssen, nachdem sie neue Darlehensverträge ausgehandelt hatten - und sahen sich mit einem Mal doch in Not. Die Ursache war schnell festgestellt: Oft wusste bei den Banken eine Hand nicht, was die andere tat. Vielfach wurde auch noch fehlerhaft gearbeitet. Die Bank of America, Chase und GMAC räumten das ein und sagten weitere Prüfung zu.

Ein Schild in Maricopa, Arizona bietet Häuser an, die einer Bank gehören.

Wenn die Kredite nicht bedient werden, fallen Häuser an die Banken. Oft passiert das jedoch auch trotz neuer Kredite.

Doch die Ursachen liegen viel tiefer. Gleich in mehreren Wellen hatte es den Immobilienmarkt in den USA erwischt. Welle Nummer eins war das Platzen der Blase immer weiter steigender Immobilienpreise - gleichzeitig Ausgangspunkt der großen Finanzmarktkrise, die im Jahr 2008 ihren Höhepunkt erreichte. Hausbesitzer hatten sich mit Blick auf eine Wertsteigerung ihrer Immobilie bis über beide Ohren in Schulden gestürzt. Als die Wertsteigerung ausblieb, der Wert der Immobilie gar sank, war es vorbei mit dem Traum vom Eigenheim.

Rüdiger Paulert, R. Paulert, WDR Washington, 09.11.2010 11:20 Uhr

Welle Nummer zwei war der Anstieg der Arbeitslosigkeit. Plötzlich ohne Job, konnte so mancher seine Hypothek nicht mehr abstottern.

Welle Nummer drei fegt gerade jetzt über den Immobilienmarkt hinweg. Ausgelöst durch die Wirtschafts- und Finanzmarktkrise sind heute ein Viertel aller Immobilien in den USA 'under water', unter Wasser, wie die Amerikaner sagen: Die Belastung durch eine Hypothek übersteigt den Wert der Immobilie.

Mehr als zehn Millionen Zwangsvollstreckungen

Und so fielen durch die drei großen Wellen seit 2008 jährlich mehr als drei Millionen Immobilien in die Zwangsvollstreckung, mehr als zehn Millionen insgesamt. Nur langsam arbeiten die Banken diesen Berg ab, schließen Umschuldungsvereinbarungen, die staatlich gefördert werden, oder übernehmen die Immobilie, wie bei Mark Forster angedroht.

Dazu müssen in den USA genauso wie in Deutschland bestimmte juristische Schritte unternommen werden. Angesichts des Berges von Verfahren aber sind die großen amerikanischen Banken überfordert, stellen extra dafür neue Arbeitskräfte ein - angeblich auch Bäcker oder Friseure, die angelernt werden, berichten amerikanische Medien. Entsprechend viel ging daneben, dazu noch kamen Formfehler, wie Dan Frahm von der Bank of America einräumt: "Glücklicherweise ist das selten. Unglücklicherweise aber geht es um die Häuser einzelner Menschen. Das bringt Stress für alle, die damit zu tun haben."

"Das sind keine Einzelfälle"

Genaue Zahlen über die fehlerhaft eingeleiteten Räumungsklagen gibt es nicht. Doch Alexa Milton, die Hausbesitzer bei Umschuldungsverhandlungen mit ihren Banken unterstützt, widerspricht dem Fachmann von der Bank of America: "Das sind keine Einzelfälle. Wir wissen von Menschen, die in die Zwangsvollstreckung gehen mussten, obwohl dies gar nicht nötig gewesen wäre. Insbesondere in den vergangenen sechs Monaten ist es schlechter und nicht etwa besser geworden."

Für Mark Forster begann mit der Ankündigung der Zwangsvollstreckung ein Wettlauf mit der Zeit. "Ich habe mit so vielen Leuten gesprochen", erzählt er. "Es war irre, mit wie vielen ich da reden musste." Jeder Bankkunde in den USA weiß, was das für Forster bedeutete. Telefonische Auskünfte nach Weiterleitung: 'Drücken sie eins, zwei oder drei auf ihrem Telefon.' Dazu Mitarbeiter in den Filialen der Großbanken, denen es an Kompetenz fehlt oder die schon bei der Vergabe eines Autodarlehens an die Grenzen ihrer Vollmacht stoßen.

Im Gegensatz zu vielen anderen aber ging das Verfahren für Mark Forster gut aus, so zumindest die telefonische Zusage seiner Bank. Doch noch ist Forster skeptisch. "Nach all dem, was ich durchmachen musste, vertraue ich auf nichts mehr, das gesagt wurde - bis ich es schriftlich habe."