Warnungen vor einem "Dammbruch" Staatshilfen - der Nächste, bitte?

Stand: 02.06.2009 11:47 Uhr

Mit Blick auf Opel und Arcandor mehren sich in Wirtschaft und Politik die kritischen Stimmen zu Staatshilfen für marode Unternehmen. Gesamtmetall-Präsident Kannegiesser fürchtet einen Dammbruch, Finanzminister Steinbrück zeigt sich bei Arcandor skeptisch.

In Wirtschaft und Politik werden die kritischen Stimmen zu Staatshilfen für Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten immer lauter. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück signalisierte Vorbehalte gegen eine staatliche Hilfe für den Touristik- und Kaufhauskonzern Arcandor. "Bei Arcandor bin ich dafür, dass das Für und Wider abgewogen wird - schlicht und einfach", sagte der Minister im Deutschlandfunk. Wenn man dabei zu dem Ergebnis komme, dass die Probleme von Arcandor nicht aus der gegenwärtigen Krise herrührten und hinter dem Konzern noch Aktionäre stehen, die zur Gesundung herangezogen werden könnten, "kommt eine Garantie nicht infrage", sagte er. Auf der anderen Seite müsse man die 50.000 Jobs bei Arcandor mitberücksichtigen.

Auf den Hinweis, dass hinter Arcandor aber sehr wohl Aktionäre stünden und das ein starkes Argument gegen Staatshilfen sein könnte, sagte der Minister: "Ja, Sie haben recht." Zudem müsse auch klar sein, dass Arcandor vor dem Stichtag 1. Juli 2008 noch ein solventes Unternehmen war und nicht schon tief in Schwierigkeiten gesteckt habe. Gelte das nicht, könnte Arcandor nicht die Sonderbehandlung erfahren, die für Firmen gilt, die durch die Finanzkrise in Probleme kamen.

Politisierung der Wirtschaft vermeiden

Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Martin Kannegiesser, warnte mit Blick auf Opel und das Handelsunternehmen Arcandor eindringlich vor einer unkontrollierten Ausweitung staatlicher Hilfen. Zwar habe es diese zu allen Zeiten gegeben, aber "jetzt haben wir das Gefühl, als ob alle Dämme brechen", sagte Kannegiesser der "Berliner Zeitung". "Es scheint eine Politisierung in die Wirtschaft einzuziehen, die letztlich wirtschaftliche Maßstäbe aushöhlt." Genau dies sollte aber "unsere Wirtschaftsordnung nach den bitteren Erfahrungen aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts" vermeiden.

Kannegiesser forderte eine Besinnung auf die Grundsätze und Regeln der sozialen Marktwirtschaft: "So gesehen ist die Opel-Lösung ein Sündenfall, der politischer Opportunität geschuldet war."

Nie gesehene Dreistigkeit

Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, äußerte sich kritisch zu einer Staatsbürgschaft für den angeschlagenen Kaufhaus-Konzern Arcandor. "Ich habe das Gefühl, dass manche Firmen den von der Bundesregierung bereitgestellten Kredit- und Bürgschaftsfonds als Einladung verstehen, sich Subventionen abzuholen", sagte Schneider der "Rheinischen Post". Das sei verbunden mit einer Dreistigkeit im öffentlichen Auftreten, wie er sie selten erlebt habe, sagte Schneider. Eine Arcandor-Bürgschaft könne "in der öffentlichen Wahrnehmung sehr schnell zu einem Dammbruch führen".

DGB und Linkspartei fordern Gegenleistungen

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Linkspartei wollen Staatshilfen an Unternehmen von Gegenleistungen für die Beschäftigten abhängig machen. "Die Alt-Aktionäre und Eigentümer dürfen nicht geschont werden", sagte DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki der "Berliner Zeitung". "Bevor Steuermittel fließen, müssen sie gezwungen werden, alle finanziellen Ressourcen zu mobilisieren." Seiner Meinung nach sind die "notwendigen Voraussetzungen" für staatliche Hilfsleistungen sowohl der Ausbau der Mitbestimmung durch die Arbeitnehmer als auch eine Standort- und Beschäftigungssicherung.

Hilfen an soziale Kriterien binden

Der stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, Klaus Ernst, verlangte ebenfalls eine Verpflichtung der betroffenen Unternehmen, auf Massenentlassungen, Standortschließungen und Lohnsenkungen zu verzichten. "Die Gewährung von Staatshilfen muss an soziale Kriterien gebunden werden", sagte Ernst in einer Mitteilung. Aus den Staatsmitteln müssten Staatsanteile und mittelfristig Belegschaftsbeteiligungen werden.

Die Spitzen von DGB und Linkspartei wollen heute in Berlin ein gemeinsames Positionspapier "für ein gerechtes und soziales Europa" vorstellen.