Quote von 75 Prozent deutlich übertroffen Griechenland schafft den Schuldenschnitt

Stand: 09.03.2012 13:56 Uhr

Die privaten Gläubiger Griechenlands haben mit großer Mehrheit der Umschuldung zugestimmt. Nach Angaben der Regierung sollen 85,8 Prozent der Staatsanleihen umgetauscht werden. Damit ist die anvisierte 75-Prozent-Marke überschritten - und der Weg für das zweite Rettungspaket geebnet. Die Euro-Finanzminister wollen noch heute über weitere Hilfen beraten.

Der Weg für den griechischen Schuldenerlass ist frei: Der weitaus größte Teil der privaten Gläubiger stimmte einem Forderungsverzicht zu. Nach Angaben des Finanzministeriums in Athen wurde die wichtige 75-Prozent-Marke deutlich überschritten. Von den 177 Milliarden Euro an Anleihen unter griechischem Recht seien 152 Milliarden Euro zum Umtausch eingereicht worden. Das entspricht einer Beteiligungsquote von 85,8 Prozent. Bei den übrigen Anleihen wurde eine Quote von 69 Prozent erreicht.

Finanzminister Evangelos Venizelos kündigte an, dass Griechenland nun alle Gläubiger mit Anleihen nach griechischem Recht zum Umtausch zwingen will. Dazu war vor wenigen Wochen ein Gesetz verabschiedet worden. Zusammen mit den anderen Anleihen würde die Quote dann insgesamt bei 95,7 Prozent liegen. Das würde 197 der insgesamt 206 Milliarden Euro Anleihevolumen in der Hand privater Gläubiger entsprechen.

"Noch fehlen sieben Milliarden Euro", sagte Venizelos. An die Privatgläubiger gerichtet, die sich an dem freiwilligen Anleihentausch nicht beteiligen wollen, sagte der Minister, es sei "naiv" zu glauben, sie könnten ihr gesamtes investiertes Geld zurückerhalten.

Nun will der Internationale Derivateverband darüber beraten, ob der Schuldenschnitt Griechenlands ein Kreditereignis darstellt, durch das Kreditausfallversicherungen fällig werden. Ein Ja auf diese Frage ist sehr wahrscheinlich.

Auch deutsche Gläubiger stimmen Anleihentausch zu

Nach Monaten der Zitterpartie ist mit einer ausreichend hohen Annahmequote der Weg frei für die größte Umschuldung eines Staates, die es je gegeben hat. Ziel war es, durch den Forderungsverzicht der Banken, Versicherer und Fonds die Verbindlichkeiten um insgesamt 107 Milliarden Euro zu verringern, damit sich das Euro-Land aus dem Würgegriff der eigenen Schulden befreien kann. Trotz des Schuldenschnitts bleibt Griechenland hoch verschuldet. Ende 2011 beliefen sich die Schulden des Landes auf rund 160 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - der Schnitt soll dazu führen, dass diese Quote bis 2020 auf 120,5 Prozent sinkt. Das entsprechende Maastricht-Kriterium liegt bei 60 Prozent.

Der größte deutsche Griechenland-Gläubiger, die Münchner FMS Wertmanagement, beteiligt sich ebenfalls am Schuldenschnitt. Das Institut erklärte, es werde griechische Anleihen und Kredite mit einem Nominalwert von rund 8,2 Milliarden Euro in den Anleihenumtausch geben. Damit drohen Abschreibungen in Milliardenhöhe. "Das Zustandekommen der Umschuldung für Griechenland liegt vor allem im wirtschaftlichen im Interesse der FMS Wertmanagement", erklärte Risiko-Chef Christian Bluhm. Ein ungeordneter Zahlungsausfall Griechenlands würde wahrscheinlich noch schwerere finanzielle Schäden nach sich ziehen. Die FMS Wertmanagement bündelt die Milliardenrisiken der verstaatlichten Bank Hypo Real Estate.

Euro-Finanzminister beraten über Hilfspaket

Die Euro-Finanzminister wollten sich in einer Telefonkonferenz mit den Ergebnissen des griechischen Anleihetausch-Angebots beschäftigen. Auf der Tagesordnung steht die endgültige Freigabe des Anfang März grundsätzlich beschlossenen 130-Milliarden-Hilfspakets für Griechenland. Voraussetzung dafür ist der erfolgreiche Schuldenschnitt. Nach den bisherigen Planungen sollen dann am 12. März die verschiedenen Verträge zum Tausch der alten in neue Staatsanleihen mit langen Laufzeiten und günstigeren Konditionen unterzeichnet werden. Am 20. März werden Anleihen Griechenlands über 14,5 Milliarden Euro fällig. Ohne das neue Hilfspaket könnte das Euro-Land die Schulden nicht zurückzahlen.

"Athen hat jetzt die Chance"

"Ich glaube nicht, dass die Sache noch scheitern kann", sagte Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken. Athen habe jetzt die Chance, seine Reformen umzusetzen und wieder auf die Beine zu kommen, sagte Josef Ackermann, der als Vorsitzender des Internationalen Bankenverbandes (IIF) mit Venizelos verhandelt hatte.

Die EU-Kommission begrüßte den Schuldenschnitt. Nun müsse das Land die Zusagen einhalten und das mit den internationalen Partnern ausgehandelte Spar- und Reformprogramm zügig und rigoros umsetzen, erklärte EU-Währungskommissar Olli Rehn. Er sei mit dem Ergebnis "sehr zufrieden", sagte der Finne. "Das zeigt die starke Unterstützung für die im Februar erreichten Abmachungen für eine zweites Hilfsprogramm für Griechenland."

Erleichterung in Deutschland

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte die hohe Beteiligung privater Gläubiger an der Umschuldung Griechenlands. Merkels Sprecher Steffen Seibert sagte, das Ergebnis sei ermutigend und werde Griechenland helfen, Stabilität zu gewinnen. Die Griechen müssten die daraus resultierenden Chancen nun aber auch nutzen. Griechenland habe sich ein ehrgeiziges Programm gegeben, das nun umzusetzen sei, sagte Seibert. Die Bundesregierung biete hierbei ihre Hilfe an. Das Bundesfinanzministerium lobte den Forderungsverzicht als "historische Chance" auf dem Weg zu einer nachhaltigen Konsolidierung.

Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Norbert Barthle, nannte die Umschuldung einen "ganz wichtigen Schritt" zur Wiederherstellung der Schuldentragfähigkeit. Deutschland habe sich zum Teil gegen massive Widerstände immer für eine Beteiligung des Privatsektors eingesetzt. Deshalb sei es auch ein deutscher Erfolg, dass es zur Gläubigerbeteiligung gekommen sei. Griechenland müsse nun weiter seine Hausaufgaben machen und die notwendigen Reformen durchsetzen, erklärte Barthle. Sehr wichtig sei auch, dass sich der Internationale Währungsfonds (IWF) an dem zweiten Griechenland-Paket beteiligt.

SPD-Fraktionsvize Joachim Poß nannte die hohe private Beteiligung "ein Zeichen der Hoffnung, dass es mit Griechenland wieder aufwärts gehen kann". Jetzt müsse aber die Bundesregierung endlich ihre "kurzsichtige Fixierung" auf eine Politik strenger Sparzwänge aufgeben. Die EU müsse sich zu umfangreichen und mehrjährigen Wachstumsprogrammen für Griechenland durchringen. Aber auch die Politik in Griechenland selbst müsse ihre sehr weitgehenden Hausaufgaben machen, forderte Poß.

Die wichtigsten Börsen reagierten positiv auf die Berichte über eine zunehmende Wahrscheinlichkeit des Schuldenschnitts für Griechenland. Der japanische Leitindex Nikkei erreichte gleich nach Handelsbeginn mit 9.939,33 Zählern kurzzeitig den höchsten Wert seit sieben Monaten, auch der DAX legte zu.