Paukenschlag aus New York Standard & Poor's stuft neun Euro-Staaten herab

Stand: 14.01.2012 06:08 Uhr

Die US-Ratingagentur Standard & Poor's unterstellt gleich neun Euroländern eine schlechtere Kreditwürdigkeit. Nachdem zunächst Frankreich das AAA entzogen worden war, wurden anschließend auch Österreich die Bestnote aberkannt sowie sieben weitere Staaten herabgestuft.

Die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) hat mit einem Schlag die Kreditwürdigkeit von neun Länder gesenkt. Erstmals verlor das Schwergewicht Frankreich die Bestnote AAA, auch Österreich wurde die Topbonität aberkannt. Beide Länder werden demnach nur noch mit AA+ bewertet. Das teilte Standard & Poor's auf ihrer Internetseite mit.

Die Bonität Italiens setzte die Ratingagentur gleich um zwei Stufen von A auf BBB+ herab. Damit steht es nun gleichauf mit Peru, Kolumbien und Kasachstan. Auch die Bewertung Spaniens, Portugals und Zyperns senkte S&P um zwei Stufen. Um eine Stufe sanken die Ratings für Malta, die Slowakei und Slowenien.

Aufatmen in Deutschland

Deutschland behielt dagegen sein Spitzenrating von AAA, sogar mit einem stabilem Ausblick. Zur Begründung schrieb S&P: "Die Benotung spiegelt unsere Einschätzung von Deutschlands moderner, hoch diversifizierter und wettbewerbsfähiger Volkswirtschaft wider und die Erfolgsbilanz der Regierung mit Blick auf eine vernünftige Haushaltspolitik und Ausgabendisziplin."

Auch die Niederlande, Finnland und Luxemburg behalten ihre Topbonität. Weltweit sind es damit noch 13 Staaten.

Grund: Keine Aussicht auf Krisenbewältigung

Europas Politiker hätten nicht genug getan, um die Schuldenkrise einzudämmen. Die politischen Initiativen seien nicht ausreichend gewesen, begründete S&P die Herabstufungen. Die Kreditkonditionen verschlechterten sich genauso wie die wirtschaftlichen Aussichten, warnte die Agentur. Europas Politiker seien sich noch immer uneins, wie die Krise zu lösen sei.

Gefahr für den Rettungsfonds EFSF?

Die Konsequenzen insbesondere aus einer Herabstufung Frankreichs könnten weitreichend sein. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone nach Deutschland trägt entscheidend zum Gelingen des Euro-Rettungsfonds EFSF bei. Auch zu dessen Bonitätsnote, bisher "AAA", will S&P demnächst eine neue Bewertung veröffentlichen.

Fakt ist, dass durch die Aberkennung der Bestnote für Frankreich im EFSF ein großes Loch entsteht, denn allein der französische Anteil von rund 160 Milliarden Euro kann nun vermutlich nicht länger für die Ausgabe von AAA-Anleihen zur Finanzierung von Rettungsprogrammen für Pleitekandidaten genutzt werden. Ohne den Anteil aus Paris könnte die Kreditsumme auf unter 300 Milliarden Euro schmelzen. Andererseits würde der Verlust der Spitzenbewertung für die EFSF-Schuldscheine das Geldleihen für den Fonds verteuern.

Christian Feld (ARD) aus Brüssel zur Entscheidung von Standard & Poor's

nachtmagazin 01:03 Uhr

Euro-Staaten um AAA für Rettungsfonds bemüht

Nach dem Willen der Euro-Staaten soll die Bestnote für den EFSF erhalten bleiben - trotz der Herabstufung. "Die Teilhaber des EFSF bekräftigen ihre Entschlossenheit, die Möglichkeiten für die Bewahrung des AAA-Ratings zu prüfen", erklärte Eurogruppen-Präsident Jean-Claude Juncker am späten Abend.

Er beteuerte, der EFSF "hat ausreichende Ressourcen zur Verfügung", um seine Verpflichtungen aus laufenden und möglichen zukünftigen Rettungsprogrammen zu erfüllen. Zugleich betonte der Eurogruppen-Chef, dass das Aufspannen des dauerhaften Rettungsschirms ESM auf Juli vorgezogen und der ESM statt nur mit Garantien auch mit eigenem Kapital ausgestattet wird. "Deswegen wird er von den Ratingnoten seiner Mitglieder nicht so stark beeinträchtigt". Ob der Ausleih-Deckel von 500 Milliarden Euro aufgestockt werden muss, soll im März entschieden werden.

EU-Währungskommissar Olli Rehn kritisierte die Herabstufungen. Das sei "inkonsistent", sagte Rehn, denn es komme zu einer Zeit, in der die Länder "an allen Fronten entschlossen auf die Schuldenkrise reagieren".

Kritik und Kenntnisnahme

Die Betroffenen mühen sich hingegen um Schadensbegrenzung. "Es sind nicht die Ratingagenturen, die Frankreichs Politik diktieren", sagte Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister François Baroin am Abend in einem Interview des Fernsehsenders France 2. Er rief dazu auf, einen kühlen Kopf zu bewahren. Der Verlust der Note AAA sei keine gute Neuigkeit, aber auch keine Katastrophe. Frankreich behalte eine "exzellente Benotung".

Österreichs Regierung kritisierte die Abwertungen durch Standard & Poor's. Bundeskanzler Werner Faymann und Außenminister Michael Spindelegger nannten es unverständlich, wenn sich eine von drei US-Ratingagenturen im Alleingang dazu entschließe, die Bonität von Ländern der Eurozone herabzusetzen oder den Ausblick negativ bewerte. Kanzler Faymann argumentierte zudem, Österreich führe intensive Gespräche über zusätzliche Haushaltskonsolidierung für die Jahre 2012 bis 2016, auch habe es sich für eine Schuldenbremse ausgesprochen. Die Agentur Moody's habe das Triple-A-Rating aufrechterhalten und Österreich wirtschaftliche Stärke und einen stabilen Arbeitsmarkt bescheinigt. Ebenso habe die Agentur Fitch geurteilt.

Berlin will Eurokrise überwinden

Die Bundesregierung bemüht sich nach der Entscheidung in New York um Gelassenheit. Man nehme die Bekanntmachung von S&P zur Kenntnis, sagte der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Martin Kotthaus. "Unser Konsolidierungswille und unsere Entschlossenheit, zur Überwindung der Staatsschuldenkrise im Euroraum unseren Beitrag zu leisten, stehen außer Frage", betonte er. Dasselbe gelte für Deutschlands Partnerländer im Euroraum. Die Stabilisierung und nachhaltige Stärkung der Eurozone werde durch die gemeinsame Umsetzung der EU-Gipfelbeschlüsse und die Vereinbarung eines Haushaltspakts gelingen, hieß es in der Erklärung des Ministeriums weiter.

Haushaltsexperten warnen vor Folgen für Deutschland

Der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler erwartet dagegen nun für Deutschland ein deutlich höheres Haftungsrisiko beim Euro-Rettungsfonds EFSF. Alleine die Herabstufung von Frankreich und Österreich führe dazu, dass der deutsche Beitrag zum Triple-A-Rating des EFSF von rund 40 auf fast 75 Prozent steige, sagte Schäffler "Handelsblatt Online". Der deutsche Garantierahmen von 211 Milliarden Euro werde daher nicht ausreichen. Das werde auf Dauer auch das deutsche Rating belasten, betonte der Euro-Skreptiker Schäffler, der unter anderem Initiator des FDP-Mitgliederentscheids zum Euro-Rettungsschirm war.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch teilt die Sorgen um das AAA für Deutschland. Er stellt angesichts der Herabstufungen das bisherige Euro-Krisenmanagement infrage. "Es muss endlich Schluss gemacht werden mit dem abwegigen Vorhaben, Länder ganz vom Finanzmarkt zu nehmen und vollständig über Hilfsmechanismen mit Schuldenvergemeinschaftung zu refinanzieren", sagte Willsch der Onlineausgabe des "Handelsblatts".

Börsen belastet

S&P hatte im Dezember fast die gesamte Eurozone, darunter auch Deutschland, sowie den EFSF unter "verschärfte Beobachtung" gestellt. Eine Veröffentlichung neuer Ratings war deshalb für dieses Jahr erwartet worden. Demnächst wird mit Bewertungen der Ratingagenturen Moody's und Fitch gerechnet.

Schon am Freitagnachmittag hatten Berichte über die bevorstehende Herabstufung Frankreichs und anderer europäischer Staaten an den Börsen für Verunsicherung gesorgt. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte schloss mit einem Abschlag von 0,4 Prozent bei 12.422 Punkten. Im Verlauf pendelte er zwischen 12.311 und 12.470 Zählern. Der breiter gefasste S&P-500-Index schloss bei 1289 Stellen, ein Minus von 0,5 Prozent. Auch der Index der Technologiebörse Nasdaq verlor 0,5 Prozent und ging mit 2710 Punkten aus dem Handel. Auf Wochensicht legten der Dow 0,5, der S&P 0,9 und die Nasdaq 1,4 Prozent zu. In Frankfurt schloss der Dax 0,6 Prozent leichter bei 6143 Stellen.