Merkel kommt nach Griechenland Das schönste Geschenk wäre Zeit

Stand: 09.10.2012 00:43 Uhr

Die Regierung hofft auf eine milde Merkel, die Bevölkerung hat Großproteste gegen die Kanzlerin geplant. Bei Merkels erstem Besuch in Griechenland seit Beginn der Finanzkrise ist Athen eine Polizeifestung: Die Gewerkschaften haben zu einem Generalstreik aufgerufen gegen die "zerstörerische Sparpolitik".

Von Thomas Bormann, ARD-Studio Griechenland

Angela Merkel kommt zu einer besonders unruhigen Zeit nach Athen. Seit Wochen streitet ganz Griechenland über das neue, geplante Sparpaket, mit dem die Regierung noch einmal gut 12 Milliarden Euro aus dem Haushalt herausstreichen will. Vor allem Löhne und Renten sollen noch einmal gekürzt werden. Dagegen gehen täglich tausende auf die Straße.

Gleichzeitig verhandelt Finanzminister Yannis Stournaras weiter mit der Troika über die Details des Sparpakets. Denn die Troika, also die EU, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds stellen für neue Hilfskredite Bedingungen: Griechenland muss endlich einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen, das geht nicht ohne harten Sparkurs. "Wir suchen nach einem Kompromiss im Interesse der griechischen Wirtschaft und vor allem im Interesse der armen Bürger dieses Landes", sagt Finanzminister Stournaras.

Thomas Bormann, T. Bormann, ARD Istanbul, 08.10.2012 18:16 Uhr

Hoffen auf ein großzügiges Gastgeschenk

Aus Sicht der griechischen Regierung ist schon klar, wie ein solcher Kompromiss aussehen könnte: Die harten Sparmaßnahmen werden beschlossen, aber sie werden auf vier Jahre verteilt, und nicht auf zwei, wie die Troika bislang fordert. Das schönste Geschenk, das Angela Merkel heute der griechischen Regierung mitbringen könnte, wäre also Zeit, wenn Sie den Griechen zwei Jahre mehr Zeit zum Sparen einräumt. Dann könnte Ministerpräsident Samaras das Sparpaket leichter durchsetzten.

Aber selbst wenn Merkel kein so großes Geschenk mitbringen sollte - allein die Tatsache, dass sie kommt, wird von vielen Griechen als gutes Zeichen gesehen, dass die anderen Euro-Länder Griechenland eben nicht im Stich lassen, sondern dass sie Griechenland helfen, in der Euro-Zone zu bleiben.

"Erpressen, einschüchtern mundtot machen"

Andere nehmen den Merkel-Besuch zum Anlass, ihren Protest gegen die Sparpolitik noch einmal aufzudrehen. "Wir rufen alle Arbeiter zum großen Protest auf - morgen werden wir gegen die Regierung Samaras protestieren und gegen Frau Merkel", sagt Aleka Papariga von der Kommunistischen Partei Griechenlands. "Denn dieser Besuch dient nur dazu, die Griechen zu erpressen, sie einzuschüchtern, und sie mundtot zu machen, bevor die zerstörerischen Sparmaßnahmen durchgesetzt werden sollen."

Auch die beiden großen Gewerkschafts-Dachverbände Griechenlands werden protestieren, und mehr noch: Sie rufen zum Streik gegen Frau Merkel auf. Von 12 bis 15 Uhr sollen alle Griechen die Arbeit niederlegen und statt dessen vorm Parlament in Athen gegen die neoliberale Politik Merkels protestieren, so heißt es in dem Aufruf.

Für die Polizei in Athen wird das morgen ein Großeinsatz werden. Sie wird Teile der Innenstadt absperren – und sogar die Autobahn zwischen Flughafen und Innenstadt soll während des Merkel-Besuchs für den Verkehr gesperrt werden, damit die Kanzlerin ungestört und unbehindert zu ihren Terminen bei Staatspräsident Papoulias und Ministerpräsident Samaras eilen kann.

Dieses Thema im Programm: Dieser Beitrag lief am 8. Oktober um 18:23 Uhr im Deutschlandfunk