G20-Gipfel in Seoul Aufstrebende Gastgeber, zerstrittene Gäste

Stand: 11.11.2010 05:47 Uhr

Die Südkoreaner sind sichtlich stolz: Erstmals findet ein G20-Gipfel in Asien statt. Die Freude kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Staats- und Regierungschefs vor schwierigen Debatten stehen. Sie sind uneins über die Wechselkurse und über die Handelsüberschüsse einiger Staaten.

Von Peter Kujath, ARD-Hörfunkstudio Tokio, zurzeit Seoul

Stolz ist ein häufig zu hörendes Wort in diesen Tagen in Seoul. "Ich bin sehr stolz darauf, dass Korea den G20-Gipfel ausrichtet", sagt eine Frau auf der Straße. "Das ist eine gute Gelegenheit Korea der Welt vorzustellen." Und ein anderer Mann betont, Korea könne "sehr stolz darauf sein, dass wir von den Industrieländern ausgewählt wurden, ein solches Ereignis abzuhalten".

Dafür nehmen die Bewohner der koreanischen Hauptstadt auch die Einschränkungen in Kauf. Aus Sicherheitsgründen sollen sie auf ihr Auto verzichten, werden U-Bahn-Stationen gesperrt, wenn sich heute und morgen die Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in der südkoreanischen Hauptstadt treffen. Schon jetzt sind insgesamt 50.000 Polizisten mobilisiert - so viele wie noch nie bei einem G20-Gipfel.

Erstmals in Asien

Südkoreas Präsident Lee Myung-bak hebt hervor, dass die Gipfeltreffen bislang nur von G7-Staaten abgehalten wurden. Der Seoul-Gipfel aber, betont Lee, "wird erstmals von einem nicht-vollständig industrialisierten Land organisiert und findet erstmals in Asien statt. Das stärkt auch die Schwellenländer. Angesichts der Bedeutung des G20-Prozesses ist das eine Chance im ganz großen Stil."

Südkorea ist flächenmäßig das kleinste der G20-Länder, die rund 50 Millionen Menschen zählende Volkswirtschaft hat sich aber zu einer wichtigen Größe in Asien und der Welt entwickelt. Hinzu kommt, dass seit dem Ende der 80er-Jahre der Staat zu einer stabilen Demokratie geworden ist.

Worum es auf dem Gipfel geht, ist indes nicht jedem Koreaner klar. Die Sicherheitsvorkehrungen seien doch ein wenig übertrieben, beklagt sich ein Mann, "und so recht weiß man nicht, was die G20 eigentlich sind und was sie zu entscheiden haben".

Schwellenländer werden aufgewertet

Dabei war es dem südkoreanischen Gastgeber mit großem Verhandlungsgeschick im Vorfeld gelungen, eine Reform des Internationalen Währungsfonds auf den Weg zu bringen. Auf dem Treffen der G20-Finanzminister in Gyeongju einigte man sich auf eine Umverteilung von mindestens sechs Prozent der Stimmrechte zugunsten der Schwellenländer wie Brasilien, China, Indien und Russland. Auch Südkorea erhält angesichts seiner gewachsenen Wirtschaftskraft einige Zehntel Prozentpunkte mehr. Das muss von den Staats- und Regierungschefs auf dem G20-Gipfel in Seoul nur noch abgenickt werden.

In Gyeongju wurde ferner festgelegt, dass Länder wie die USA, China oder die Staaten der Euro-Zone von einer konkurrierenden Abwertung der Währungen Abstand nehmen sollen. Südkoreas Präsident Lee hofft, mit dieser Haltung den Streit um die Wechselkurse entschärfen zu können.

USA fachen Debatte wieder an

Forderungen der USA nach einem Abbau der Handelsüberschüsse wie -defizite waren als abstraktes Ziel in Gyeongju ebenfalls konsensfähig. Angesichts des 600-Milliarden-Dollar-Programms der US-Notenbank ist die Diskussion um einen Währungskrieg aber wieder aufgebrochen. China, Brasilien und Südkorea selbst äußerten ihre Sorge, dass diese Politik der Geldvermehrung negative Auswirkungen auf ihre wirtschaftliche Situation und ihre Währungen haben könnte.

Doch es ist nicht nur der Streit innerhalb der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, der dem Gastgeber noch die Laune verderben könnte. Südkorea muss auch ein wachsames Auge auf den Norden haben. Der verarmte Atomstaat könnte versuchen, durch gezielte Provokationen den Erfolg des Treffens zu gefährden. Er erwarte zwar nicht, dass Nordkorea solche Aktionen während des Gipfels mit all den Staatschefs durchführen wird, sagte Lee. "Aber ich will deutlich machen, dass wir sorgfältig auf alle Eventualitäten vorbereitet sind."

Wer sind die G20?

Die "Gruppe der 20" wurde 1999 ins Leben gerufen, um die Kooperation in Fragen des internationalen Finanzsystems zu verbessern. Zunächst trafen sich die G20-Staaten ausschließlich auf Ebene der Finanzminister, erst 2008 kamen erstmals die Staats- und Regierungschefs zu einem Gipfel zusammen.

Der G20 gehören alle Mitglieder der Gruppe der sieben wichtigsten Industriestaaten (G7) an: USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Kanada. Hinzu kommen Russland und China sowie die großen Schwellenländer Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika; außerdem Argentinien, Australien, Indonesien, Saudi-Arabien, Südkorea, die Türkei und die Europäische Union.