Herbsttagung von IWF und Weltbank Deutschland will nicht wieder der Zahlmeister sein

Stand: 24.09.2011 01:37 Uhr

IWF-Generaldirektorin Lagarde hat vor einem Rückfall der Weltwirtschaft in die Rezession gewarnt. Sie sieht Deutschland offenbar in einer Schlüsselrolle bei der Bewältigung der Probleme. Finanzminister Schäuble und Bundesbankpräsident Weidmann bleiben bei den teuren Wünschen der Partner hart.

Von Rüdiger Paulert, WDR, ARD-Hörfunkstudio Washington

"Die Wirtschaftskonjunktur kommt in die Gefahrenzone" - so hatte IWF-Chefin Christine Lagarde den Ton für die Jahrestagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds vorgegeben. So schlecht wie im Moment war die Stimmung in Washington beim Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs aus aller Welt seit 2008 nicht mehr. Damals war die Finanzmarktkrise durch die Lehman-Brothers-Pleite offen ausgebrochen.

Diesmal wackelt der Euro, und die öffentlichen Haushalte knirschen unter der Schuldenlast. Zudem bricht die Konjunktur weg. Damals konnten viele Staaten mit anpacken. Diesmal ist es schwieriger, da die Munition bereits verschossen scheint. Trotzdem versuchte die IWF-Chefin, Optimismus zu verbreiten. "Es gibt einen Weg, der zur wirtschaftlichen Erholung führt. Aber er ist schmaler als vor drei Jahren, als wir zum ersten Mal von der Finanzmarktkrise erwischt wurden", sagt Lagarde. "Doch es gibt einen Ausweg."

Welche Rolle soll Deutschland spielen?

Als Lagarde dies sagte, waren Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Bundesbankpräsident Jens Weidmann noch auf dem Weg nach Washington. Auf dem Weg zu einer Abwehrschlacht, denn viele - auch beim IWF - glauben, dass Deutschland den Schlüssel zur Lösung der Probleme hat, etwa bei der Eurokrise: "Hier ist gemeinsame Führung gefragt. Es ist nicht Sache eines oder zweier Länder, die Show anzuführen", sagte die ehemalige französische Finanzministerin und jetzige IWF-Chefin Lagarde und meinte Deutschland und Frankreich.

Bundesfinanzminister Schäuble kennt diesen Stil von den vielen Krisensitzungen der letzten Zeit und erklärte nach eigenen Worten seinen Kollegen aus den anderen G20-Staaten, dass das deutsche Parlament schon in der nächsten Woche endgültig über die Finanzausstattung für die Eurokrise, von Fachleuten EFSF genannt, entscheiden werde. Nach dem G20-Treffen berichtete er: "Alle, die sich gestern Abend ausgesprochen haben, begrüßen sehr die Linie, die die Staats- und Regierungschefs der Eurozone am 21. Juli beschlossen haben, und sie haben uns geraten, das möglichst rasch in Kraft zu setzen." Auch bei der Analyse der Konjunkturprobleme, die Schäuble als nicht dramatisch bezeichnete, sei man einer Meinung: "Es ist klar, darüber war gestern Abend ein großer Konsens, dass eine Hauptursache die zu hohen Defizite sind."

Keine neuen Milliarden aus Schäubles Kasse

Deshalb mache es keinen Sinn, mit einem Konjunkturprogramm die Staatsverschuldung weiter hoch zu treiben, argumentiert der Bundesfinanzminister - und hielt die deutschen Taschen geschlossen. Von Bundesbankchef Weidmann wurde er dabei unterstützt: "Wenn der IWF in Übereinstimmung mit den Studien, die wir gemacht haben, selbst findet, dass eine Konjunkturstimulierung in Deutschland sehr wenig positive Ausstrahleffekte auf die Nachbarn hat, dann ist natürlich die Forderung nach einem Konjunkturprogramm in Deutschland, wo es konjunkturell gar nicht angemessen ist, entleert, weil die Effekte auf das Ausland nicht zu erwarten sind."

Bleibt noch das Problem der Kapitalausstattung von Banken. Nach Sicht des IWF ist sie bei europäischen Banken nicht groß genug, um eine weitere Krise - verbunden mit Kreditausfällen - meistern zu können. Dazu sagte Bundesbankpräsident Weidmann: "Dass die Lage derzeit deutlich besser ist als die Stimmung, es aber Risiken gibt, dass die Stimmung bzw. die Turbulenzen an den Finanzmärkten auch langsam übergreifen auf die realwirtschaftliche Lage."

Diesmal wäre es keine Überraschung

Von den deutschen Antworten kann IWF-Chefin Lagarde nicht begeistert sein. Zu groß ist ihre Sorge vor einem weiteren Konjunktureinbruch. Von Weltbankpräsident Robert Zoellick bekommt sie da Rückendeckung: "2008 haben viele gesagt, dass sie die Turbulenzen nicht haben kommen sehen. Eine solche Entschuldigung gibt es diesmal für die Verantwortlichen nicht."

Da winkt der deutsche Bundesfinanzminister ab. Weiteren konkreten Handlungsdruck, über das hinaus, was bereits entschieden wurde, sieht er im Moment nicht und steht natürlich zum Kommunique der G20-Finanzminister, die gemeinsam die Weltwirtschaft stabilisieren wollen. Noch kostet dies nicht das Geld der deutschen Steuerzahler. Aber die Diskussion über konkrete Maßnahmen werden weitergehen. Mit einer Mischung aus Zynismus und Ironie räumte Schäuble dies in der amerikanischen Hauptstadt ein: "Wir haben ja auch nicht angekündigt, dass wir alle Probleme gestern und heute hier in Washington lösen können."