Zweifel an Italiens Reformfähigkeit "Wackelkandidat" im Visier der Ratingagenturen

Stand: 22.06.2011 02:26 Uhr

Italien hat - nach Griechenland - den zweithöchsten Schuldenstand in der EU. Dennoch will Ministerpräsident Berlusconi bis 2014 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Erreichen will er das mit Kürzungen nach dem Prinzip "Rasenmäher". Die Ratingagenturen beeindruckt das wenig.

Von Tilmann Kleinjung, ARD-Hörfunkstudio Rom

Der Chef der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, hat am Wochenende in Italien für ziemlichen Ärger gesorgt. Er warnte, die griechische Schuldenkrise könne auch auf Italien übergreifen. Der Grund: Italien hat nach Griechenland den zweithöchsten Schuldenstand in der Eurozone. Er liegt bei 120 Prozent im Vergleich zur Wirtschaftsleistung.

Berlusconi: Italien weit entfernt von griechischen Verhältnissen

Dennoch sieht Ministerpräsident Silvio Berlusconi sein Land weit entfernt von griechischen Verhältnissen. Er sagte im italienischen Senat: "Wir sind alle überzeugt, dass es keine weitere Neuverschuldung geben darf, die Regierung wird eben nicht auf die kommenden Generationen die Kosten dieser internationalen Krise abwälzen, unsere Kinder werden nicht für die heutigen Schwierigkeiten bezahlen."

Das Regierungsprogramm, das Berlusconi heute im Abgeordnetenhaus vorstellt, soll Handlungsfähigkeit demonstrieren und Zuversicht verbreiten. Doch amerikanische Ratingagenturen lassen sich davon wenig beeindrucken. Moody’s nahm die italienischen Unternehmen mit Staatsbeteiligungen genauso ins Visier wie Provinzen, Kommunen und Regionen.

Am vergangenen Freitag hatte die Ratingagentur Italien bereits angedroht, seine Kreditwürdigkeit herabzustufen. Grund dafür seien die hohen Schulden des Landes und die schwachen Wachstumsaussichten. Seit Jahren schwächelt Italiens Wirtschaft und produziert kaum nennenswerte Wachstumsraten.

Der ehemalige EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti macht dafür die Regierung Berlusconi direkt verantwortlich: "Das war ein großer strategischer Fehler, keine Wirtschaftswachstumsprogramme verfolgt zu haben." Das mache sich jetzt auch im Staatshaushalt bemerkbar und verhindere eine mögliche Steuersenkung.

Forderung nach Steuersenkungen - Gegenfinanzierung offen

Genau solche Steuersenkungen fordert Berlusconis Bündnispartner "Lega Nord" gebetsmühlenartig, ohne sich groß darum zu kümmern, wie sie gegenfinanziert werden sollen. Monti, der heute die renommierte Mailänder Wirtschaftsuniversität "Bocconi" leitet, hält das angesichts des völlig verschuldeten Staatshaushaltes für nicht realistisch. "Es gibt viele Reformen, die in diesem Moment durchgeführt werden könnten und man müsste sie machen, um den Aufschwung zu stärken und Italien etwas solidarischer zu gestalten, doch dies sind nicht Steuersenkungen", erklärt er.

Zweifel an der Reformfähigkeit der Regierung

An der Reformfähigkeit der Regierung Berlusconi äußerte die Ratingagentur Moody’s zuletzt deutliche Zweifel. Für die Konsolidierungspläne der Regierung gebe es "Umsetzungsrisiken", heißt es in dem Bericht.

Doch Berlusconis Ziele bleiben ehrgeizig: Bis zum Jahr 2014 will er einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Sein Finanzminister Giulio Tremonti hat bereits in der Vergangenheit deutlich gemacht, wie er das erreichen will: Mit Kürzungen in allen Bereichen, Marke Rasenmäher.

Zentralbankchef Mario Draghi warnt vor einer solchen Politik: "Um die Ausgaben andauernd und glaubhaft zu reduzieren, ist es nicht ratsam, überall gleichmäßig zu kürzen." Eine solche Maßnahme würde den immer noch schwachen Aufschwung derart bremsen, "dass wir zwei Prozentpunkte des Bruttoinlandsproduktes verlieren würden".

Draghi wird wohl künftig als Chef der Europäischen Zentralbank höchstpersönlich darüber wachen, dass sein Heimatland sich nicht am griechischen Fieber ansteckt. Ein solches Szenario ist auch kaum vorstellbar. Italien ist das drittgrößte Euro-Land. Eine italienische Schuldenkrise wäre für die Eurozone kaum zu bewältigen.