Wahlen in Zeiten der Krise in Irland "Niemand wollte die Party stoppen"

Stand: 26.02.2011 04:20 Uhr

Immobilienkrise, Finanzkollaps und schließlich Regierungsauflösung - es ist nicht gerade eine Erfolgsgeschichte, die das einstige Boomland Irland in den vergangenen drei Jahren geschrieben hat. Die Parlamentswahl in Irland wird auch eine Abrechnung mit der Finanzkrise - und es scheint ziemlich sicher, dass die Regierungspartei haushoch verlieren wird. Prognosen soll es aber erst am Vormittag geben.

Von Torsten Huhn, NDR-Hörfunkstudio London

Der keltische Tiger steckt in einer schweren Wirtschaftskrise - und manche Experten sehen ihn immer noch am Abgrund. Trotz des 85-Milliarden-Euro-Rettungspaketes der EU und des Internationalen Währungsfonds.

Die Banken stürzten Irland in den Abgrund

Es sind vor allem die Banken, die das kleine Land in eine so schwierige Situation gebracht haben. Die irischen Kreditinstitute haben einen gewaltigen Immobilienboom auf der Insel und auch anderswo finanziert. Und seitdem diese Spekulationsblase geplatzt ist, sind die Banken in größten Schwierigkeiten: Sie sitzen auf einem Berg von faulen Krediten.

"Bankenaufsicht im Koma"

Edgar Morgenroth vom Institut für Wirtschafts- und Sozialforschung in Dublin sagt: "Von Investoren und Geldinstituten wurde zu viel Geld zur Verfügung gestellt." Die Bankenaufsicht habe nichts getan, bemängelt Morgenroth. "Es wird immer davon geredet, dass die Bankenaufsicht am Steuer geschlafen habe. Ich glaube, tatsächlich waren die in einem Koma."

Auch Elaine Byrne, Politologin des Trinity College, ist der Ansicht, dass die Banken viel zu viel Geld für den Immobilienbereich zur Verfügung gestellt haben. Die irische Bankenaufsicht habe in den Boom-Jahren völlig versagt. Sie wirft der Politik vor, den Boom mit angeheizt zu haben. "Es gab sehr enge Beziehungen zwischen Politikern, Aufsichtsbehörde und Bankern. Es hat sich auch herausgestellt, dass die Regierungspartei Fianna Fail von 1997 bis 2007 ein Drittel ihrer Zuwendungen aus dem Bau- und Immobiliensektor bekommen hat", erläutert Byrne.

"Jeder wollte die Früchte genießen"

Auf Warnungen wurde nicht  gehört. Niemand wollte den Aufschwung stören. "Das war eine Atmosphäre, in der jeder die Früchte des Booms genießen wollte. Niemand wollte die Party stoppen."

2008, als die Krise der Banken offensichtlich wurde, gab die Regierung eine unbegrenzte Garantie für die Banken ab - ein großer Fehler, wie sowohl Byrne als auch Morgenroth meinen. Morgenroth spricht sogar von "einem der monumentalsten Fehler, den eine Regierung je gemacht hat".

Nun müssen die Iren mit einem harten Sparprogramm leben, um damit sozusagen das Überleben der Banken zu sichern. 35 Milliarden Euro haben sie bislang erhalten. Ob die ausreichen, weiß niemand. Falls weitere faule Kredite auftauchen, brauchen sie noch mehr Geld. "Am Ende stehen wir vor einem Abgrund", warnt Morgenroth.

Am Rande eines Staatsbankrotts

Dann könnte Irland der Staatsbankrott drohen. Um den abzuwenden, sei eine Restrukturierung der Schulden notwendig, meint Politologin Byrne. Die Last für die irischen Steuerzahler sei ohnehin zu groß. Restrukturierung - das heißt, Kreditgeber müssen auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Byrne sieht auch die deutschen Banken in der Pflicht, einen Teil der Lasten zu übernehmen: "Ich glaube, wir brauchen eine Diskussion über eine neue Lastenverteilung. Nicht nur die, die Geld rücksichtslos geliehen haben, müssen zahlen, sondern auch diejenigen, die unbekümmert Geld verliehen haben." 

Deutsche Banken hängen mit drin

Damit kämen auf die deutschen Banken neue Lasten zu. So können sie zusammen mit den Iren nur hoffen, dass sich bei den Banken dort keine neuen Milliardenlöcher auftun und sich die Wirtschaft des Landes möglichst schnell wieder erholt.