Frankreichs Nationalversammlung beschließt Steuererhöhungen 30 Milliarden Euro für die Schuldenbekämpfung

Stand: 23.10.2012 21:41 Uhr

Die französische Nationalversammlung hat massive Steuererhöhungen beschlossen. Bürger, Staat und Unternehmen sollen mit jeweils zehn Milliarden Euro dazu beitragen, dass die Neuverschuldung auf die EU-Norm gedrückt wird. Doch die Zweifel, ob dies ausreichen wird, sind groß.

Evi Seibert, SWR-Hörfunkstudio Paris

Wenn es ums Geld geht, kochen die Emotionen hoch, so auch in der französischen Haushaltsdebatte. "Steuern, Steuern, nichts als Steuern", jammern viele Franzosen. Das Land steckt tief in den Schulden und der neue Präsident hat den europäischen Partnern versprochen, seine Hausaufgaben zu machen. Nächstes Jahr soll das Staatsdefizit auf drei Prozent gesenkt werden.

Deswegen bittet der Staat seine Bürger jetzt zur Kasse. Dies sei eine patriotische Verpflichtung, mahnt Präsident François Hollande: "Wenn es dem Land schlecht geht, muss jeder seinen Teil beitragen." Der Anteil der Bürger liegt bei zehn Milliarden Euro. Sie sollen mit neuen Steuern in den Staatshaushalt geholt werden. Weitere zehn Milliarden sollen neue Unternehmenssteuern bringen. Auch der Staat selbst will zehn Milliarden kürzen. Das macht zusammen 30 Milliarden.

Evi Seibert, E. Seibert, SWR Paris, 23.10.2012 21:58 Uhr

Ob die ausreichen ist mehr als fraglich, denn dieser Bedarf wurde aufgrund eines Wirtschaftswachstums berechnet, das sehr optimistisch angelegt war - vorsichtig gesagt. Das kritisiert auch der ehemalige Haushaltsminister Eric Woerth: "Die drei Prozent kann die Regierung nicht einhalten, das wissen alle. Sowohl das Wirtschaftswachstum als auch die künftigen Steuereinnahmen sind zu hoch bewertet worden."

Zigaretten und Bier werden teurer

Um die Bürger nicht zu sehr zu verschrecken, erklärte Premierminister Jean Marc Ayrault, dass die Steuererhöhungen ja nur die Reichen treffe. "Unser neues Haushaltsgesetz ist gerecht. Neun von zehn Franzosen werden gar nicht von den neuen Steuern betroffen. Nur zehn Prozent der Bevölkerung, nur die wirklich reichen Haushalte müssen mehr bezahlen."

Wer mehr als eine Million verdient, muss künftig 75 Prozent davon wieder abgeben. Aber auch Franzosen, die mehr als 150.000 Euro im Jahr verdienen, müssen nun  höhere Einkommensteuern zahlen. Dazu kommt die wieder eingeführte Vermögenssteuer. Für Wohlhabende werden  Familien-Steuervorteile gestrichen. Trotzdem werden aber auch die nicht super-reichen Haushalte und Rentner belangt. Zigaretten werden höher besteuert und sogar beim Bier kassiert der Staat zukünftig ab.

Kritik an größerer Belastung für Konzerne

Ähnlich drastisch sind die neuen Abgaben für Unternehmen. Sie drücken die gesunkene Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs weiter, befürchten Experten. Ex-Premierminister François Fillon bläst ins gleiche Horn. "Wir lassen uns gerade von den asiatischen Staaten ins historische Abseits schieben. Die französischen Unternehmen in dieser Situation mit zehn Milliarden mehr zu belasten ist unklug. Das treibt uns in die Rezession. Die Firmen werden nicht mehr investieren, dann gibt es auch keine neuen Arbeitsplätze, kein Wachstum. Das ist ein unverantwortliches Rezessionsbudget, das obendrein sehr amateurhaft vorbereitet wurde."

Ausgabenkürzungen nicht denkbar

Tatsächlich gab es einige Hühs und Hotts zum Thema Steuern. Mal sollten Abgaben auf Kunstwerke gefordert werden, was die  Museumsdirektoren erfolgreich verhinderten. Dann wiederum gingen Start-up-Unternehmer auf die Barrikaden, weil sie bei den Veräußerungsgewinnen geschröpft werden sollten. Auch das ist wieder vom Tisch.

Die Steuern, die jetzt letztlich verabschiedet werden, reichen aber wahrscheinlich nicht aus, um Frankreichs Haushalt zu sanieren. Der Politikmix im Budget 2013 ist für viele Experten falsch gewichtet: Statt das Etatloch mit höheren Einnahmen zu stopfen, finden sie es sinnvoller, die hohen Staats-Ausgaben Frankreichs zu kürzen. Aber eine Rosskur à la Agenda 2010, bei der in Deutschland vor allem der Sozialstaat zusammengeschnürt wurde, ist mit François Hollande zurzeit nicht zu machen.