Die EU vor dem G20-Treffen "Gipfel kommt zu einem kritischen Zeitpunkt"

Stand: 10.11.2010 17:55 Uhr

Ob Währungsstreit zwischen China und den USA oder US-Forderungen nach Exportquoten: Die EU befürchtet, auf dem G20-Gipfel mit ihren Positionen zerrieben zu werden. Dabei ist oft unklar, wie überhaupt die EU-Position aussieht - zu unterschiedlich sind die einzelnen Länderinteressen.

Von Katrin Brand, WDR-Hörfunkstudio Brüssel, zzt. Seoul

"Der Gipfel kommt zu einem kritischen Zeitpunkt" - das ist in Brüssel derzeit oft zu hören. Zwei Jahre, nachdem sich die G20 zum ersten Mal trafen, um gemeinsam die Finanzkrise zu meistern, scheint zwar die Krise für die meisten schon wieder vorbei zu sein, die Gemeinsamkeit und die Geschlossenheit aber auch. Herman Van Rompuy, der Vorsitzende der EU-Regierungschefs, und José Mauel Barroso, der Chef der EU-Kommission, schrieben ihren "lieben G20-Kollegen" nun vorab einen mahnenden Brief: "Jetzt, wo wir in eine neue Phase wirtschaftlicher Entwicklung eintreten, besteht die Gefahr, dass der Antrieb für gemeinsames Handeln schwächer wird." Der Gipfel von Seoul müsse das verhindern, schreiben die beiden. Sie werden die Europäische Union dort vertreten, außerdem sitzen Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien mit am Tisch.

"Die europäische Position verteidigen"

Und deshalb ist Hermann Van Rompuys wichtigste Botschaft auch zunächst dies: "Der Kommissionspräsident und ich sowie die übrigen Mitglieder der EU werden gemeinsam die europäische Position verteidigen." Zu verteidigen gibt es genug. Gerade fürchten die Europäer, im Währungsscharmützel zwischen den USA und China zerrieben zu werden. Erst warfen die USA den Chinesen vor, ihre Währung künstlich niedrig zu halten, um billig verkaufen zu können, jetzt wollen die USA selbst ihre Druckmaschinen rotieren lassen und 600 Milliarden frische Dollar auf den Markt bringen. Das wertet den Euro auf und verteuert dadurch europäische Waren, die sich nun schlechter im Ausland verkaufen lassen.

K. Brand, WDR, 10.11.2010 15:12 Uhr

Währung als Waffe? So nicht, fordert Jean-Claude Juncker, Regierungschef von Luxemburg und Chef der Euro-Länder: "Wir glauben, dass alle Arten von exzessiven Währungsschwankungen dem Wirtschaftswachstum schaden. Wir glauben, dass die Wechselkurse die fundamentalen Wirtschaftdaten widerspiegeln müssen."

EU beim Thema Überschüsse uneinig

Verstimmt sind die Europäer auch über die inzwischen mehrfach vorgebrachten Vorschläge der USA, Ungleichheiten im Handel durch Exportquoten zu regulieren. Damit würden Länder, die deutlich mehr Waren aus- als einführen, geschwächt - und das wären konkret vor allem China und Deutschland. Kanzlerin Merkel machte schon beim jüngsten EU-Gipfel klar, "dass wir der Meinung sind, dass Ungleichgewichte, die aus unterschiedlicher Wettbewerbsfähigkeit heraus resultieren, zugelassen werden müssen und dass man sie nicht künstlich einschränken darf, indem man Bandbreiten von Abweichungen festlegt".

Allerdings ist sich die EU bei diesem Thema keinesfalls einig. Deutschlands Exportüberschüsse werden immer wieder auch in dieser Runde kritisiert, vor allem vom Nachbarn Frankreich. In Seoul allerdings soll es zunächst keine Beschlüsse über Leitlinien zum Abbau der Ungleichheiten im Handel geben.

Finanztransaktionssteuer kein Thema

Wichtig ist der EU zudem, dass beim Treffen in Seoul die Regulierung der Finanzmärkte weiter vorangetrieben wird. Dabei soll es auch um die finanzielle Beteiligung des Finanzsektors gehen. Über eine Finanztransaktionssteuer aber werde in Südkorea wohl nicht gesprochen, hieß es aus der EU-Kommission. Das kritisiert Udo Bullman, Europaabgeordneter der SPD: "Hier glaube ich, dass die Courage noch nicht da ist auf der europäischen Ebene, sich zentral dafür einzusetzen, dass da eine Finanztransaktionssteuer geschaffen wird, die allein in Deutschland pro Jahr bis zu 30 Milliarden Euro bringen könnte und 200 Milliarden in der EU." Das sei mehr als der gesamte Haushalt der europäischen Union.

Während das Europaparlament mit großer Mehrheit fordert, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen, sind die EU-Kommission und die EU-Regierungen, vor allem Deutschland, zögerlich. Eine solche Steuer ergebe nur Sinn, wenn sie weltweit eingeführt werde, heißt es. Doch danach sieht es im Moment nicht aus.