Parlamentsbericht aus Athen Griechische Staatsschulden "außer Kontrolle"

Stand: 01.09.2011 15:46 Uhr

Griechenland hat einem Bericht des Parlaments zufolge seine Finanzen nicht im Griff. Nach den massiven Haushaltskürzungen schrumpft die Wirtschaft, weswegen wiederum die Staatseinnahmen sinken. Wegen dieses Teufelkreises verfehlt Griechenland voraussichtlich das selbst gesteckte Sparziel.

Am Ende des Jahres wird das hochverschuldete Griechenland voraussichtlich eine Defizitquote von rund 8,6 Prozent verbuchen müssen – davon gehen jedenfalls Finanzexperten des griechischen Parlaments in einem Bericht aus, den mehrere Medien zitieren. Mit dem Jahresabschluss würde das Land nicht nur sehr deutlich die Maastricht-Kriterien von maximal 3,0 Prozent verletzen, sondern auch seine selbst gesteckten Ziele klar verfehlen. Ursprünglich wollte die Regierung in Athen das Defizit auf 7,5 bis 7,6 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) senken. Die EU-Kommission geht allerdings bereits seit dem Frühjahr davon aus, dass das griechische Defizit in diesem Jahr bei 9,5 Prozent liegen wird.

Die Entwicklung der griechischen Schulden ist nach Einschätzung der Parlamentsexperten "außer Kontrolle" geraten. Das bereits schon hohe Haushaltsloch des Staates, die starke Zunahme der Schulden und die tiefe Rezession hätten die Entwicklung "zum Äußersten getrieben", heißt es in dem Bericht der Fachleute. Die positiven Auswirkungen des beim Euro-Sondergipfel im Juli vereinbarten zweiten Rettungspakets in Höhe von bis zu 159 Milliarden Euro würden so wahrscheinlich "zum großen Teil" zunichte gemacht.

Griechenlands Wirtschaft in der Rezession

Die griechische Wirtschaft schrumpft in alarmierendem Maß, wozu auch das strikte Sparprogramm der Regierung beiträgt. Finanzminister Evangelos Venizelos sagte in der vergangenen Woche, das BIP werde in diesem Jahr voraussichtlich um mehr als 4,5 Prozent sinken. Inoffiziell ist sogar von einem Minus von bis zu 5,5 Prozent die Rede.

Staatseinnahmen sinken - Ausgaben steigen

Venizelos hatte auch bekannt gegeben, dass in den ersten sieben Monaten des Jahres die Einnahmen des Staates um 1,9 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückgegangen sind. Die Ausgaben stiegen gleichzeitig um 2,7 Milliarden Euro an. Im ersten Halbjahr betrug die griechische Neuverschuldung knapp 14,7 Milliarden Euro - geplant für das ganze Jahr sind bislang rund 16,7 Milliarden Euro.

Angesichts des jetzt bekannt gewordenen Parlamentsberichts sprach Venizelos dem Gremium die Kompetenz ab. Er verwies darauf, dass dem Bericht "die Aussagekraft von internationalen Analysen" fehle.

In Athen findet zurzeit eine gründliche Kontrolle der Bücher statt. Mitarbeiter von EU, IWF und Europäischer Zentralbank (EZB) prüfen die Umsetzung des Spar- und Stabilisierungsprogramms, das mit Griechenland im Gegenzug für Milliardenhilfen vereinbart worden war. Griechische Medien berichten, sie kämen zu ähnlichen Erkenntnissen wie die Parlamentarier. Griechenland hat Schulden in Höhe von mehr als 350 Milliarden Euro. Erst wenn EU, IWF und EZB grünes Licht geben, kann das Land eine weitere Tranche von acht Milliarden Euro aus dem im vergangenen Jahr vereinbarten ersten Rettungspaket in Höhe von 110 Milliarden Euro erhalten. Die Prüfung der Bücher soll bis Anfang September andauern.

Griechenland Thema eines Treffens in Berlin?

Die Milliardenhilfen für Griechenland sind offenbar auch Thema eines Sondertreffens in Berlin. Die Finanzminister Deutschlands, Finnlands und der Niederlande wollten sich kommenden Dienstag beraten, meldet die Agentur Reuters unter Berufung auf Regierungskreise. Finnland hat sich als einziges Land in der Euro-Zone mit Athen auf zusätzliche Sicherheiten im Gegenzug für weitere Hilfen geeinigt. Das hat andere kleinere Euro-Länder wie Österreich oder die Niederlande auf den Plan gerufen, die dies nun ebenfalls für sich in Anspruch nehmen wollen. Deutschland steht Sondervereinbarungen äußerst skeptisch gegenüber.