Varoufakis zur Schuldenkrise in Griechenland "Unbedeutende Liquiditätsprobleme"

Stand: 16.03.2015 08:32 Uhr

Wie lange hält Griechenland noch durch, bis der Bankrott droht? Darüber wird in Europa spekuliert. Doch der griechische Finanzminister Varoufakis spricht in der ARD von "unbedeutenden Liquiditätsproblemen". Er fordert mehr Unterstützung für die Wirtschaft seines Landes. EU-Ratspräsident Tusk warnt in einem Interview vor einem versehentlichen Euro-Austritt Athens.

Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis rechnet damit, dass sein Land die Haushaltsprobleme in den Griff bekommt. Es gebe aktuell in Athen nur "unbedeutende, kleine Liquiditätsprobleme", sagte Varoufakis in der ARD-Sendung "Günther Jauch". Auch die deutschen Steuerzahler würden am Ende jeden Euro zurückbekommen.

Bei seinem ersten Live-Auftritt im deutschen Fernsehen gab sich Varoufakis teilweise versöhnlich und hob die Bedeutung der europäischen Idee hervor, vermied aber konkrete Festlegungen. Auf die Frage, ob sein Land noch vor Monatsende zahlungsunfähig werden könne, wich er aus: "Wir in der griechischen Regierung tun unser Bestes, um sicherzustellen, dass alle Gläubiger ihr Geld zurückbekommen." Gleichzeitig müssten auch Rentner, Pensionäre und Staatsbedienstete rechtzeitig ihr Geld bekommen.

"Helft uns zu wachsen"

Varoufakis bekräftigte zugleich seine Forderung nach einer Umstrukturierung der griechischen Schulden und einem neuen Vertrag mit den Euro-Partnern. "Helft uns zu wachsen, damit wir die Schulden zurückzahlen können." Eindringlich warnte er vor einem Ausscheiden seines Landes aus der Eurozone. Dies würde dazu führen, dass Spekulanten danach das nächste Land in den Blick nähmen.

Der Minister plädierte für die "Einigung Europas" und rief angesichts der jüngsten Spannungen zwischen Athen und Berlin dazu auf, "Stereotype abzubauen" und "Schritte zurück von der Konfrontation" zu gehen. Ausdrücklich versicherte Varoufakis seine Hochachtung vor dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble. Zwischen Varoufakis und Schäuble hatte es zuletzt erhebliche Misstöne gegeben, der Streit war zunehmend persönlich geworden.

Inzwischen mehren sich die Aufrufe zu einer verbalen Abrüstung. SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte in der "Bild"-Zeitung einen "anständigen Umgangston". Grünen-Parteichef Cem Özdemir rief Deutsche und Griechen zu Mäßigung auf: "Beide Seiten müssen aufhören, mit Emotionen, Stereotypen und persönlichen Angriffen Politik zu machen", sagte er der "Rheinischen Post".

Stinkefinger oder kein Stinkefinger?

Hat Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis Deutschland vor zwei Jahren den Stinkefinger gezeigt - und in welchem Zusammenhang? Darüber wurde in der ARD-Sendung "Günther Jauch" heftig gestritten. Jauch spielte ein Video ein, das den Wirtschaftsprofessor im Mai 2013 bei einer Konferenz in Zagreb zeigt. In dem bei Youtube abrufbaren Clip ist zu sehen, wie Varoufakis über die Eurokrise referiert und dabei die obszöne Geste macht.

Varoufakis reagierte empört auf Jauchs Vorwurf, er habe Deutschland den Stinkefinger gezeigt. Das Video sei gefälscht, der ausgestreckte Mittelfinger hineinmontiert worden. "Das ist getürkt. Das hat es nicht gegeben."

Allein seine damaligen Aussagen bergen aber schon politischen Zündstoff. Varoufakis verwies nämlich bei dem Auftritt in Zagreb darauf, dass er nach dem Ausbruch der Krise vorgeschlagen habe, Griechenland solle im Januar 2010 so wie Argentinien seine Zahlungsunfähigkeit erklären. Dabei solle das Land aber in der Eurozone bleiben - "und damit Deutschland den Finger zeigen und sagen: Ihr könnt das Problem jetzt selbst lösen".

Jauch kündigte an, die Echtheit des Videos prüfen zu lassen.  

Tusk warnt vor "idiotischem Szenario"

EU-Ratspräsident Donald Tusk rief ebenfalls alle Akteure dazu auf, einander in Würde und Achtung zu begegnen. In der "Süddeutschen Zeitung" warnte er eindringlich vor einem versehentlichen Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone. "Wir haben ein solches idiotisches Szenario zu verhindern."

Der Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone sei nicht nur eine Frage des Geldes, sondern in geopolitischen Zusammenhängen zu sehen, sagte Tusk. Angesichts der Krise in Libyen, der fragilen Lage auf dem Balkan, in Moldawien, Transnistrien und auf Zypern, sei ein "so dramatischer Akt wie das Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone" eine Katastrophe. "Die Konsequenzen wären nicht nur finanzielle. Ein Ausscheiden Griechenlands wäre das dramatischste Kapitel in der gesamten Geschichte der Europäischen Union. Tusk stellte klar: "Wir müssen Griechenland helfen, das ist unstrittig."

Finanzminister Schäuble hatte zuletzt nicht ausgeschlossen, dass Athen ungewollt, wie bei einem Unfall, aus dem Euro herausfliegen könnte.

Regierungschef Alexis Tsipras wies im griechischen Fernsehen Spekulationen zurück, Griechenland könnte schon Ende März das Geld ausgehen. Löhne und Renten würden normal ausgezahlt, versicherte er.

Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" hatte berichtet, Tsipras habe dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, am Freitag in Brüssel von einer drohenden Pleite zum Monatsende berichtet. Schulz sagte dem Blatt lediglich: "Tsipras braucht dringend Geld. Dafür muss er die Eurogruppe und die EZB von seinem Reformwillen überzeugen, und zwar schon nächste Woche."

Vorentscheidung auf dem EU-Gipfel?

Im Schuldenstreit mit den internationalen Geldgebern wird sich möglicherweise in dieser Woche entscheiden, ob ein Staatsbankrott noch abzuwenden ist. Am 19. März treffen sich die Staats- und Regierungschefs der EU, am 20. März muss Athen in zwei Raten weitere 842 Millionen Euro an den IWF zurückzahlen. Außerdem muss das Land 1,6 Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufnehmen, um eine auslaufende Staatsanleihe zu ersetzen.