Sondertreffen der Eurozone Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel

Stand: 07.07.2015 23:17 Uhr

Die 28 EU-Staaten werden am Sonntag bei einem Sondergipfel über die Griechenland-Krise beraten. Das kündigte Bundeskanzlerin Merkel nach Abschluss des Euro-Gipfels in Brüssel an. Griechenland solle bis Donnerstag Details für Reformpläne vorlegen.

Die 28 EU-Staaten werden am Sonntag bei einem Sondergipfel über die Griechenland-Krise beraten. Das kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Abschluss des Euro-Gipfels in Brüssel an.

Griechenland solle bis Donnerstag Details für Reformpläne vorlegen. Das sei Voraussetzung dafür, um Verhandlungen über ein drittes Hilfsprogramm zu beginnen, sagte Merkel nach dem Euro-Sondergipfel in Brüssel. Erst nach der Vorlage dieser Details könne im Bundestag beschlossen werden, Gespräche über ein drittes Hilfsprogramm des Euro-Rettungsschirms ESM aufzunehmen.

Eine mögliche kurzfristige Brückenfinanzierung habe in den Gesprächen der Staats- und Regierungschefs der Eurozone keine große Rolle gespielt, sagte die Kanzlerin weiter. Darüber könne erst gesprochen werden, wenn die Pläne für ein langfristiges Programm vorlägen. Die Gespräche beim Gipfel seien sehr ernst gewesen, betonte Merkel. Man habe dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras deutlich gemacht, dass es in der Eurozone immer nur eine geteilte Souveränität der 19 Euro-Staaten gebe.

EU-Ratspräsident Donald Tusk betonte, für einen Kompromiss blieben nur noch fünf Tage Zeit. "Die endgültige Frist endet diese Woche", sagte Tusk. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte wiederum: "Wir haben ein detailliertes 'Grexit'-Szenario." Griechenland müsse bis Freitagmorgen 8.30 Uhr liefern, davon hänge das weitere Engagement der EZB ab. Vor dem EU-Gipfel am Sonntag werden noch einmal die Finanzminister der Euro-Zone zu Beratungen zusammenkommen.

Keine neuen Vorschläge aus Athen

Der neue griechische Finanzminister Euklides Tsakalotos hatte wider Erwarten keine neuen Vorschläge zur Lösung des Schuldenstreits beim Treffen der Euro-Finanzminister vorgelegt, das am Nachmittag vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs zu Ende gegangen war. Das bestätigte Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem. Ein schriftliches Konzept werde es "vielleicht" am Mittwoch geben, berichteten Insider. Bis dahin will Griechenland auch einen neuen Antrag auf Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds ESM stellen. Ein griechischer Regierungsvertreter sagte, sein Land schlage eine Übergangslösung vor, um über den Juli zu kommen. Danach solle es eine langfristige Vereinbarung geben.

Wie die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Athener Regierungskreise berichtet, will Griechenland auf Basis seiner Vorschläge von Ende Juni die Hilfen beim ESM beantragen. Die neuen Vorschläge enthielten "Verbesserungen" im Vergleich zu denen vom 30. Juni, hieß es. Dies alles solle am Dienstag und Mittwoch mit den Euro-Partnern besprochen werden.

Der griechische Ministerpräsident Tsipras hatte vor Beginn des Treffens auch mit US-Präsident Barack Obama telefoniert und ihn über den Stand der Beratungen zur griechischen Schuldenkrise informiert. Dabei habe Tsirpas Obama erklärt, dass Athen einen "Überbrückungskredit" von seinen internationalen Geldgebern wünsche, bis eine nachhaltige Lösung des Problems erreicht sei. Obama habe seinerseits die Hoffnung geäußert, dass die Verhandlungen zwischen Athen und den Gläubigern bald erfolgreich abgeschlossen werden können, berichteten Athener Regierungskreise.

EU-Kommission hält "Grexit" für möglich

Insgesamt überwog am Dienstag auf Seiten der Europäer die Skepsis, ob eine schnelle Einigung überhaupt möglich ist. Der für den Euro zuständige Vizepräsident der Kommission, Valdis Dombrovskis, hält einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone inzwischen für möglich. Ein Grexit sei "nicht unser Ziel", sagte Dombrovskis, "aber wenn Vertrauen nicht wieder aufgebaut wird, wenn es kein glaubwürdiges Reformpaket gibt, kann er nicht ausgeschlossen werden."

Bei der EZB scheint die Geduld für die Griechen ebenfalls ein Ende zu finden. "Die griechische Nation war kühn und hat sich selbst aus der Euro-Zone herausgewählt", sagte das lettische Ratsmitglied Ilmars Rimsevics. Von seinem österreichischen Amtskollegen kommen versöhnlichere Töne: Sollte es ein neues Hilfsprogramm für Griechenland geben, könne die EZB unter bestimmten Umständen für eine schnelle Bereitstellung der finanziellen Mittel sorgen, sagte Ewald Nowotny.

Etwa zeitgleich wurde ein Bericht der EZB zur Absicherung der Notkredite - auch ELA-Kredite genannt - veröffentlicht. "Die mit ELA verbundenen Restrisiken sind tendenziell höher als die in regulären geldpolitischen Operationen", heißt es darin. Mit den Notfallkrediten dürfe nicht zu großzügig umgegangen werden. Jedoch hatte die EZB erst am Montag beschlossen, an den Notkrediten für Griechenland festzuhalten - allerdings auf dem aktuellen Stand von 90 Milliarden Euro. Eine Erhöhung soll es nicht geben.

Gabriel: "Aufnahme Griechenlands in die Eurozone war naiv"

Auch in Deutschland stößt der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras mit seinem Kurs auf wenig Verständnis. Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel stellte in einem Interview mit dem Magazin "Stern" gar die Aufnahme Griechenlands in die Eurozone infrage: "Die Aufnahme Griechenlands in den Euro ist aus heutiger Sicht sehr naiv erfolgt", sagte er. Schlimmer sei jedoch, dass alle viel zu lange zugeschaut haben, wie das Land immer tiefer in die Krise geriet, fügte er hinzu. Aber: "Wenn wir jetzt einfach Schulden streichen, ohne dass sich in Griechenland vieles grundlegend ändert, ist gar nichts gewonnen."

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ging beim Thema Schuldenerlass noch einen Schritt weiter: "Wer die europäischen Verträge kennt, weiß, dass ein Schuldenschnitt unter das Bailout-Verbot fällt", sagte er. Das Bailout-Verbot bedeutet, dass Eurostaaten nicht für die Schulden anderer Länder aufkommen dürfen.  

Niemand bricht Verhandlungen ab

Doch bei allem Frust und bei allem Unverständnis der Gläubiger: Alle scheinen der griechischen Regierung trotz des Referendums noch eine Chance geben zu wollen, alle zeigen sich grundsätzlich gesprächsbereit.

Der Erfolg der Verhandlungen wird aber maßgeblich von neuen Vorschlägen der griechischen Regierung zur Beilegung des Schuldenstreits abhängen. Auf diese müssen die Geldgeber nun aber länger als erhofft warten.

Pläne sollen nah an den Vorschlägen der Gläubiger sein

Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet unterdessen, dass der neue griechische Finanzminister Tsakalotos einen Verhandlungsvorschlag vorlegen wolle, der sich nur in wenigen Punkten von dem im Referendum abgelehnten Reformplan der Gläubiger unterscheidet. So wolle die griechische Regierung die Mehrwertsteuerrabatte auf den touristischen Inseln beibehalten. Zudem wolle Athen die Mehrwertsteuer für die Gastronomie bei 13 Prozent belassen, anstatt sie - wie von Brüssel verlangt - auf 23 Prozent anzuheben.

Wie die Zeitung weiter berichtet, will die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras aber auch die Verteidigungsausgaben nach wie vor nicht so stark kürzen, wie es die drei Gläubiger-Institutionen vorgeschlagen hatten. Die Abschaffung von "Solidaritätszuschlägen" für Rentner solle offenbar ebenfalls noch weiter in die Zukunft gestreckt werden, berichtet die Zeitung. Vorgesehen war hier im Brüsseler Plan ein langsames Abschmelzen bis Ende 2019.