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Digitaler Nachlass Ist ein Facebook-Konto vererblich?

Stand: 31.05.2017 13:46 Uhr

Eltern dürfen als Erben nicht auf den Facebook-Account ihrer verstorbenen Tochter zugreifen. Das hat das Berliner Kammergericht entschieden. Dagegen stünden Rechte Dritter. Ob das Konto überhaupt vererblich ist, haben die Richter offen gelassen.

Von Timo Conraths, ARD-Rechtsredaktion

Was hat das Berliner Kammergericht entschieden?

Das Kammergericht in Berlin hat die Klage einer Mutter abgewiesen, die von Facebook Zugang zu dem Nutzerkonto ihrer verstorbenen Tochter verlangt hatte. Gegen den Zugriff der Eltern auf das Facebook-Konto stehe insbesondere das Fernmeldegeheimnis von Kommunikationspartnern der Tochter, so der Vorsitzende Richter Björn Retzlaff bei der mündlichen Urteilsverkündung. Das Fernmeldegeheimnis, das die Kommunikation zwischen Gesprächspartnern schützt, könne nur durch Gesetz eingeschränkt werden. Dies sei für den vorliegenden Fall nicht erfolgt, so Retzlaff weiter. Auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht der klagenden Mutter biete keine Anspruchsgrundlage gegenüber Facebook. Die Frage, ob der Nutzungsvertrag überhaupt Teil des Erbes geworden ist, ließ das Gericht hingegen offen.

Was ist der Hintergrund des Verfahrens?

Im Dezember 2012 wurde eine 15-Jährige in einem Berliner U-Bahnhof von einem einfahrenden Zug erfasst und starb wenig später im Krankenhaus. Die genauen Umstände des Vorfalls sind bis heute nicht bekannt. Die Eltern wollen klären, ob ihre Tochter Suizid begangen hat. Möglich ist, dass der Teenager zuvor gemobbt worden war. Von dem Chat-Verlauf im Facebook-Konto des Mädchens erhoffen sich die Eltern Antworten. Doch sie haben trotz Zugangsdaten keinen Zugriff auf das Konto.

Der Grund: Ein Nutzer meldete dem sozialen Netzwerk den Tod der 15-Jährigen. Facebook versetzte das Konto daraufhin gemäß seiner Nutzungsbedingungen in den sogenannten „Gedenkzustand“. Dieser führt dazu, dass der Account gesperrt wird – für jedermann, also auch für die Eltern. Diese Regelung gilt bis heute, mit der Ausnahme, dass Nutzer mittlerweile zu Lebzeiten einen Nachlasskontakt angeben können. Dieser darf nach dem Tod des Nutzers dessen Profilfoto ändern oder auf Freundschaftsanfragen reagieren. Alte Chats lesen kann aber auch er nicht.

Die Mutter klagte vor dem Landgericht Berlin. Als Erbin habe sie das Recht, auf das Konto ihrer verstorbenen Tochter zuzugreifen. Facebook hingegen ist der Ansicht, dass das Konto eng an die Person des jeweiligen Nutzers gebunden sei und daher nicht vererbt werden könne. Außerdem wären von der Offenlegung der Nachrichten nicht nur die Verstorbene selbst, sondern auch andere Nutzer betroffen, die damals mit der 15-Jährigen gechattet haben.

Was sind die rechtlichen Fragen?

Grundsätzlich tritt der Erbe in alle Rechtspositionen des Verstorbenen ein, erbt also alles. Eine Ausnahme gilt dann, wenn das Rechtsverhältnis so eng mit der Person des Verstorbenen zusammenhängt, dass es nicht vererblich ist. Es erlischt mit dem Tod und kann deshalb auch nicht mehr in den Nachlass fallen. Mit Blick auf das Facebook-Konto ist daher maßgeblich, wie der Facebook-Nutzungsvertrag zu beurteilen ist: Ist der Zugang zu dem Netzwerk so eng mit der Person des Nutzers verbunden, dass die Zugangsberechtigung mit dem Tod des Nutzers endet? Dann würde das Konto nicht zum Nachlass gehören.

Daneben kann die Zugangsgewährung die Rechte anderer Nutzer tangieren, z.B. das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1, Abs. 3 GG), welches die Kommunikation zwischen Gesprächspartnern schützt. Zwar gilt das Geheimnis in erster Linie für Telefon- oder Voice-over-IP-Gespräche. Unter gewissen Umständen kann es aber auch den Verkehr mit elektronischen Nachrichten wie E-Mails schützen, so das Bundesverfassungsgericht. Auch datenschutzrechtliche Belange können durch die Zugangsgewährung betroffen sein. Facebook argumentiert, dass Nutzer grundsätzlich darauf vertrauen können sollen, dass ihre Daten und Nachrichten privat bleiben und nicht von anderen Personen eingesehen werden können.

Wie geht es jetzt weiter?

Erledigt ist der Fall noch nicht. Das Urteil ist nicht rechtskräftig und beide Parteien haben sich vorbehalten, vor den Bundesgerichtshof nach Karlsruhe zu ziehen. Experten zufolge ist es das erste Verfahren, das sich mit der Vererbbarkeit eines Facebook-Kontos beschäftigt. Es dürfte wegweisend sein für rechtliche Fragen rund um den digitalen Nachlass einer Person.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 31. Mai 2017 um 13:17 Uhr