Internationaler Handel Brüssel prüft deutsche Exportstärke

Stand: 13.11.2013 17:42 Uhr

Schadet Deutschland mit seiner Exportstärke dem Rest Europas? Diesem Verdacht geht die EU-Kommission nun im Zuge eines Prüfverfahrens nach. In Berlin poltert vor allem die Union gegen diesen Schritt: Wer Deutschland schwäche, stärke damit nicht Europa.

Weil Deutschland viel mehr exportiert als importiert, droht dem größten EU-Mitglied nun Ärger mit Brüssel. EU-Kommissionschef José Manuel Barroso kündigte ein Prüfverfahren an, bei dem die Leistungsbilanz der Bundesrepublik durchleuchtet wird. Dadurch will die EU-Kommission feststellen, "ob der hohe Exportüberschuss Auswirkung auf ganz Europa hat", sagte Barroso.

Dass sich Deutschland für seinen Exportstärke verantworten muss, mutet auf den ersten Blick absurd an. Schließlich ist der Ausfuhrüberschuss - der im September auf einen Rekord von 20,4 Milliarden Euro stieg - zunächst einmal ein Beleg für die Konkurrenzfähigkeit hiesiger Unternehmen, etwa von Maschinenbauern oder Autozulieferern.

Die Überschüsse der einen sind die Defizite der anderen

Auf europäischer oder gar globaler Ebene bringen extreme Überschüsse einzelner Länder aber auch Probleme mit sich. Schließlich ist der internationale Handel ein Nullsummenspiel - die Überschüsse der einen sind die Defizite der anderen. Viele Ökonomen werfen Deutschland daher vor, die eigene Wirtschaft auf Kosten der Nachbarländer zu stärken. Als Beispiel führen Experten die moderaten Lohnabschlüsse der vergangenen Jahre an. Diese sorgten dafür, dass die deutsche Wirtschaft im internationalen Vergleich plötzlich viel produktiver wurde.

Nach den wirtschaftlichen Verwerfungen der Eurokrise verstärkte die EU-Kommission die Wirtschaftsüberwachung der Mitgliedsländer. Als potenziell schädlich gilt ein dauerhafter Überschuss von mindestens sechs Prozent, gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Für die Jahre 2010 bis 2012 komme Deutschland auf ein Plus von durchschnittlich 6,5 Prozent, teilte Brüssel mit.

W. Landmesser, WDR Brüssel, 13.11.2013 16:01 Uhr

"Wir bräuchten mehr Deutschlands in Europa"

Barroso versuchte allerdings dem Eindruck entgegenzutreten, die EU-Kommission störe sich grundsätzlich an der wirtschaftlichen Stärke der Bundesrepublik. "Es ist sehr gut für Europa, dass Deutschland solch eine wettbewerbsfähige Volkswirtschaft bleibt. Wir bräuchten mehr Deutschlands in Europa", meinte er.

Nach Einschätzung von ARD-Hörfunk-Korrespondent Wolfgang Landmesser ist das Brüsseler Rezept für Deutschland ein anderes: "Steuern und Abgaben sollen sinken, gerade bei Geringverdienern; öffentliche Investitionen für Straßen oder Autobahnbrücken sollen steigen. Dies kurbelt aus Brüsseler Sicht die Binnennachfrage an. Und: Deutschlands Dienstleistungssektor soll sich stärker der Konkurrenz aus anderen EU-Ländern öffnen - etwa für den Klempner aus Polen oder den Fliesenleger aus Tschechien."

Ein Milliardenbußgeld gegen das größte Mitglied?

Die Ergebnisse der Prüfung will die EU im kommenden April vorstellen. Sollte die Kommission danach ein formelles Verfahren wegen wirtschaftlicher Ungleichgewichte anstrengen, droht in letzter Konsequenz ein Bußgeld von 0,1 Prozent der Wirtschaftsleistung. 2012 betrug das deutsche Bruttoinlandsprodukt 2,6 Billionen Euro - demzufolge wäre als eine Strafe von bis zu 2,6 Milliarden Euro denkbar.

Dass die EU tatsächlich eine solch hohe Strafe gegen ihre größtes und wirtschaftlich stärkstes Mitgliedsland verhängt, erscheint allerdings politisch schwer vorstellbar.

Kritik von CDU und CSU

Union und SPD wiesen die Kritik aus Brüssel zurück. Die Exportstärke sei "ein Eckpfeiler unseres Wohlstandes", erklärte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Darauf hätten Union und SPD bereits zu Beginn der Koalitionsverhandlungen hingewiesen. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt meinte: "Man kann Europa nicht stärken, indem man Deutschland schwächt."

Die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte, sie sehe keinen Handlungsbedarf. Grundsätzlich tritt die SPD aber für mehr öffentliche Investitionen und einen gesetzlichen Mindestlohn ein, um die Kaufkraft zu stärken - liegt damit also gar nicht so weit von der Brüsseler Linie entfernt.