Kolumne Euroschau EZB fürchtet um Rettungsprogramm

Stand: 05.03.2014 11:53 Uhr

Darf die EZB Anleihen von Krisenstaaten kaufen? Das Bundesverfassungsgericht hat diese Frage dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt - und enge Vorgaben gemacht. Auf der ersten Sitzung nach der Entscheidung bangen die Notenbanker nun um ihr Rettungsprogramm: Setzen sich die deutschen Richter durch, könnte das die Eurokrise befeuern.

Von Von Klaus-Rainer Jackisch, HR

Es war ein Auftritt wie im Bilderbuch und doch war er völlig anders als sonst: Als die sechs Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts Anfang Februar in roter Robe vor die Öffentlichkeit traten, schrieben sie Rechtsgeschichte. Erstmals fällten sie in einer zentralen Verfassungsfrage nicht selbst ein Urteil, sondern verwiesen sie an den Europäischen Gerichtshof. Ob das Anleihe-Kaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) dem EU-Recht entspricht, müssen nun die europäischen Richter entscheiden.

Im Frankfurter Eurotower - dem Sitz der EZB - sorgte das zunächst für Aufatmen: Die europäischen Richter gelten als moderat und scheuen sich, Urteile gegen europäische Institutionen zu verhängen. Doch was auf den ersten Blick wie Wegschieben von Verantwortung durch das Bundesverfassungsgericht aussieht, könnte sich als ein geschickter Schachzug erweisen, denn die deutschen Richter haben ihren Kollegen gezeigt, was für ein Urteil sie erwarten. Wenn es ihnen nicht gefällt, wollen sie den Fall wieder an sich ziehen.

Darf die EZB Anleihen von Krisenstaaten kaufen?

Im Kern geht es um unbegrenzten Kauf von Staatsanleihen von Krisenstaaten durch die Notenbank, im EZB-Chinesisch "Outright Monetary Transactions" (OMT) genannt. Mit der Ankündigung dieses Programms ist es der EZB gelungen, die destruktiven Attacken gegen die stark verschuldeten Staaten des Euroraumes einzudämmen und die Finanzmärkte in der Eurokrise nachhaltig zu beruhigen. Bislang wurde noch kein einziger Cent ausgegeben, das Programm steht derzeit nur auf dem Papier. So weit, so gut.

Doch nach Ansicht der Kläger - rund 37.000 Bürgerinnen und Bürger - verstößt das OMT-Programm gegen das Verbot der Staatsfinanzierung durch die EZB. Das steht Schwarz auf Weiß in Artikel 123 des EU-Vertrages. Die Kläger befürchten, dass der Steuerzahler die Zeche beim Staatsbankrott eines Krisenlandes zahlen muss.

"Etikettenschwindel" nennen das die Kläger

Die EZB sieht das ganz anders: Sie kaufe die Anleihen bei Bedarf nicht direkt von den Staaten, sondern auf dem Sekundärmarkt, also etwa von Banken. Dieses Verfahren sei durch den Vertrag gedeckt, so die Währungshüter.

"Etikettenschwindel" nennen das die Kläger. Die Richter des Bundesverfassungsgerichts folgten: Sie sehen in dem OMT-Programm eine Kompetenzüberschreitung der EZB und damit einen Verstoß gegen Europarecht. Sie forderten Bundestag und Bundesregierung auf, dies zu unterbinden.

Richter machen deutlich, welches Urteil sie erwarten

Ein Urteil wollten die Karlsruher Richter allerdings nicht fällen. Sie trennten den OMT-Aspekt ab und verwiesen ihn an den Europäischen Gerichtshof. Allerdings machten sie sehr deutlich, was sie von ihren europäischen Kollegen erwarten. "Brücken bauen" heißt das diplomatisch im Rechtsdeutsch.

Die Richter des Bundesverfassungsgerichtes verlangen, das Volumen der Anleihenkäufe zu begrenzen. Außerdem müsse die EZB von einem Schuldenschnitt in den betroffenen Ländern ausgeschlossen werde - also eine zusätzliche Sicherung. Sollten die europäischen Richter dieser Auffassung nicht folgen, behält sich das Bundesverfassungsgericht vor, den Fall wieder an sich zu ziehen.

Bei der EZB sieht man die Entwicklung mit großer Sorge. Würden die Forderungen der deutschen Richter umgesetzt, bricht das gesamte Programm zusammen. Seine Wirkung besteht ja gerade darin, dass die EZB den Anlegern ihr Risiko in vollem Umfang und unbegrenzt abnimmt und mögliche Kosten auf den Steuerzahler abwälzt. Durch eine Einschränkung des OMT-Programms könnte die Eurokrise wieder klar zu Tage treten.

Drohen Beamte und Politiker über die Stränge zu schlagen?

Wann der Europäische Gerichtshof eine Entscheidung treffen wird, ist unklar. Klar ist nur, dass das Bundesverfassungsgericht am 18. März ein Urteil für den restlichen Teil der Klage fällen wird. In dem sogenannten Hauptverfahren geht es darum, ob der Rettungsschirm ESM und der Fiskalpakt rechtmäßig sind.

Im Kern beanstanden die Kläger, dass weitreichende Kompetenzen und Rechte zunehmend auf europäische Institutionen wie ESM oder EZB verlagert werden, ohne dass Parlamente ausreichend einbezogen werden. Längst ist von einer Schattenregierung die Rede. Um vermeintlich Gutes zu tun, drohen Beamte und Politiker über die Stränge zu schlagen und das Recht zu beugen.

Der Gewaltenteilung sei Dank: Richter können einschreiten.