Treffen der Eurogruppe in Breslau Schäuble will Finanzsteuer auch im Alleingang

Stand: 17.09.2011 19:43 Uhr

Deutschland, Frankreich und Belgien wollen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in der EU vorantreiben. Notfalls sollte die Steuer auch nur in der Eurozone eingeführt werden, sagte Bundesfinanzminister Schäuble. In Deutschland geht derweil der Koalitionsstreit um die Euro-Politik weiter.

Deutschland, Frankreich und Belgien drängen auf die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Dabei sollte die Eurozone ruhig vorpreschen, meint Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Es ist davon überzeugt, dass eine Abgabe auf Finanzgeschäfte viel Gutes bringen würde. Sie würde ziemlich viel Geld in die klammen öffentlichen Kassen spülen und so für etwas mehr Gerechtigkeit bei der Begleichung der Kosten für die Bankenrettung sorgen.

Doch nicht nur das: Wie der ARD-Hörfunkkorrespondent Martin Bohne aus Breslau berichtet, glaubt Schäuble zudem, dass die Verteuerung von Börsengeschäften aller Art auch zur Zähmung der Finanzmärkte beitragen würde: "Es ist auch ein Instrument, um in diesen irrationalen Übertreibungen in den Finanzmärkten durch Elemente der Entschleunigung ein ganzes Stück weit entgegenzuwirken." Der "Bild am Sonntag" hatte der Finanzminister vorab gesagt: "Wir werden noch in diesem Herbst eine Finanztransaktionssteuer auf den Weg bringen. Nach meiner eigenen Überzeugung notfalls auch nur in der Eurozone."

Ähnlich argumentierte der belgische Finanzminister Didier Reynders: Es wäre zwar besser, die Steuer auf globaler Ebene oder in der gesamten EU einzuführen. Doch wenn dies nicht möglich sei, müsse die Eurozone vorangehen, sagte er am Morgen in Breslau. Doch müsse darüber erst Einigkeit herrschen. "Ich werde versuchen, das heute mit meinen Kollegen aus Frankreich und Deutschland zu organisieren", ergänzte er.

Martin Bohne, M. Bohne, MDR Brüssel, 17.09.2011 15:02 Uhr

EU-Kommission zum Handeln bereit

Nach langem Zögern kündigte nun auch die EU-Kommission für Oktober einen entsprechenden Gesetzesvorschlag an. Der EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier sagte in Breslau: "Diese Steuer ist technisch leicht machbar, finanziell ist sie ertragreich, wirtschaftlich ist sie vertretbar und politisch ist sie gerecht."

Großbritannien bleibt bei Blockadehaltung

Doch während sich manche Länder wie Deutschland dafür einsetzen, um die Geldflüsse auf dem Finanzmarkt in gemächlichere Bahnen zu leiten, sperrt sich besonders Großbritannien dagegen. Die britische Regierung fürchtet eine Schwächung des Finanzplatzes London, wenn Firmen wegen einer solchen Steuer abwandern. Deshalb sträubt sich London, solange die Steuer nicht weltweit eingeführt ist.

Stichwort

Eine Finanztransaktionssteuer soll bei jedem Kauf oder Verkauf von Aktien, Devisen, festverzinslichen Wertpapieren und anderen wichtigen Finanzprodukten gezahlt werden. Die Abgabe könnte dazu beitragen, Spekulationsgeschäfte einzudämmen.

Vor allem Globalisierungskritiker fordern seit Jahren eine solche Spekulationssteuer - die Rede ist von 0,1 bis 0,25 Prozent. Selbst ein geringerer Steuersatz von lediglich 0,01 bis 0,05 Prozent für den Handel mit Finanzprodukten würde nach früheren Berechnungen allein in Deutschland zu Steuereinnahmen zwischen zehn und 20 Milliarden Euro führen.

Die Idee einer Finanztransaktionssteuer geht auf den US-Ökonomen James Tobin zurück. Er brachte 1972 eine Steuer auf alle grenzüberschreitenden Devisenspekulationen ins Spiel und hatte eine Abgabe von einem Prozent vorgeschlagen.

USA gegen Besteuerung des Finanzsektors

Daran ist aber nicht zu denken, da die USA eine solche Besteuerung des Finanzsektors ablehnen. Diese Position bekräftigte US-Finanzminister Timothy Geithner in Breslau, der erstmals an einem Treffen seiner europäischen Amtskollegen teilgenommen hatte.

Die Befürworter der Steuer argumentieren, sie bringe nicht nur Geld in die defizitären Staatshaushalte, die schließlich viel Geld zur Bankenrettung aufbringen mussten. Sie sei auch ein Instrument, um Spekulationen an den künstlich aufgeblähten Märkten einzudämmen und den Handel zu beruhigen.

Zehntausende Gewerkschafter protestieren in Breslau

Am Rande des Treffens in Breslau demonstrierten nach Angaben der Organisatoren rund 50.000 Gewerkschaftsmitglieder gegen niedrige Löhne und Stellenabbau. An dem friedlichen Protestmarsch nahmen Aktivisten aus Deutschland, Spanien, Portugal, Italien, Norwegen, Ungarn, Litauen und Slowenien teil.

In Deutschland geht der Koalitionsstreit weiter

Die gegenseitigen Sticheleien von Union und FDP wegen der deutschen Haltung in der Euro-Krise dauern unterdessen an. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sprach Vizekanzler Philipp Rösler indirekt das Recht ab, in der Euro-Krise für die Regierung zu sprechen. "Innerhalb der Richtlinien der Bundeskanzlerin ist der Finanzminister für den Euro zuständig", sagte der CDU-Politiker der "Bild am Sonntag". Angesprochen auf Röslers Gedankenspiele über die Möglichkeit einer Insolvenz für Griechenland sagte Schäuble, in der Demokratie bestehe Redefreiheit.

Der hessische FDP-Vorsitzende Jörg-Uwe Hahn stellte im Nachrichtenmagazin "Focus" die Führungsqualitäten von Bundeskanzlerin Angela Merkel infrage: "Das Führungsproblem liegt bei der Union und heißt Angela Merkel", sagte er.