Volkskongress in China Wirtschaft lahmt - das Volk soll shoppen

Stand: 05.03.2012 09:39 Uhr

China bekommt die Auswirkungen der weltweiten Wirtschaftskrise zu spüren. Wegen des lahmenden Außenhandels rechnet die Regierung in diesem Jahr nur noch mit einem Wachstum von 7,5 Prozent. Zum Auftakt der jährlichen Sitzung des Nationalen Volkskongresses mahnte Regierungschef Wen zugleich ein ausgewogeneres Wachstum im Land an und versprach den heimischen Konsum anzukurbeln.

Von Ruth Kirchner, ARD-Hörfunkstudio Peking

Trotz des Pomps in der "Großen Halle des Volkes" mit Militärkapelle und Nationalhymne unter dem großen roten Stern stimmte der Ministerpräsident die rund 3000 Delegierten auf einen eher nüchternen Jahresausblick ein.

Nach über neun Prozent Wachstum im vergangenen Jahr, soll es jetzt in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt deutlich langsamer vorangehen. Nur noch 7,5 Prozent Wachstum peilt die Regierung an - das ist die niedrigste Prognose seit acht Jahren.

China vor großen Problemen

Die Vorgaben der Regierung sind  allerdings nur grobe Richtwerte. In den vergangenen Jahren hat das tatsächliche Wachstum die Ziele regelmäßig deutlich übertroffen. Doch in diesem Jahr dürfte die Schuldenkrise in Europa, immerhin Chinas größter Exportmarkt, die Volksrepublik hart treffen.

"China steht immer noch vor großen Schwierigkeiten und Herausforderungen. International wird der Weg zur Wiederbelebung der Weltwirtschaft sehr schwierig werden. In einigen großen Ländern fehlt es an Wachstumsimpulsen. Die Schwellenländer spüren den Inflationsdruck und das sich verlangsamende Wachstum", sagte Ministerpräsident Wen Jiabao.  

Ruth Kirchner, R. Kirchner, ARD Peking, 05.03.2012 09:06 Uhr

Niedrigeres Ziel für optimaleren Umbau

Das exportorientierte China leidet aber nicht nur an der lahmenden Nachfrage in der Europäischen Union und den USA. In seiner fast zweistündigen Rede sagte Wen auch, das niedriger als sonst angesetzte Wachstumsziel solle dem Umbau der chinesischen Wirtschaft dienen.

Das bisherige rasante Wachstum sei unkoordiniert, unausgewogen und nicht aufrecht zu erhalten: "Das langsamere Wachstum soll helfen, die Transformation der Wirtschaft zu beschleunigen und die Wirtschaftsentwicklung nachhaltiger und effizienter machen." Das Ziel, so Wen, sei eine qualitativ bessere Entwicklung über einen langen Zeitraum.

Wen Jiabao versprach, die heimische Nachfrage anzukurbeln, um so die Abhängigkeit von Exporten und Investitionen zu verringern. Nur mehr Konsum könne langfristig ein robustes Wachstum sichern, sagte er.

Chinas Volkskongress

Jedes Jahr im März kommen die Delegierten in der Großen Halle des Volkes zu ihrer Plenarsitzung zusammen. Der Volkskongress billigt Gesetze, ändert die Verfassung, bestätigt die Regierung, nimmt den Haushalt an und diskutiert über die Lage im Land. Alle wichtigen Entscheidungen sind allerdings vorher in einem engen Führungszirkel, im mächtigen Politbüro, gefallen.

Eigentlich ist der Nationale Volkskontress Chinas höchstes Staatsorgan. In der Verfassung ist aber die Führungsrolle der Kommunistischen Partei verankert, sodass dem Parlament vielmehr die Rolle zukommt, den Willen der Partei in den Willen des Staates zu übersetzen.

Frei gewählt sind die knapp 3000 Abgeordneten nicht. Sie werden alle fünf Jahre von lokalen Volkskongressen der Provinzen, autonomen Regionen, Städten sowie der Volksbefreiungsarmee neu entsandt.

Wen betont Bedeutung der Streitkräfte

Die Auftakt-Rede in der Großen Halle des Volkes ist traditionell von innenpolitischen Themen bestimmt. Doch deutlicher als in den vergangenen Jahren äußerte sich Wen diesmal auch zur Verteidigungspolitik: "Wir werden die Fähigkeit der Streitkräfte ausbauen, damit sie eine große Zahl von militärischen Aufgaben erfüllen können - die wichtigste ist die Fähigkeit, im Informationszeitalter regionale Kriege gewinnen zu können."

Bereits am Sonntag hatte die Regierung eine deutliche Aufstockung des Militäretats auf rund 80 Milliarden Euro verkündet.

Der diesjährige Volkskongress ist der letzte vor dem im Herbst geplanten Führungswechsel an der Spitze der Kommunistischen Partei. Beobachter erhoffen sich von der zehntägigen Tagung auch Aufschlüsse darüber, wer im Herbst in den mächtigen Ständigen Ausschuss des Politbüros aufsteigen könnte.