Wachstumsprognose des IWF "Brexit hat Sand ins Getriebe gestreut"

Stand: 19.07.2016 17:15 Uhr

Das Brexit-Votum habe neuen Sand ins Getriebe der Weltwirtschaft gestreut. Das teilte der Internationale Währungsfonds IWF mit und korrigierte seine Wachstumsprognose nach unten - besonders für Großbritannien.

Nach dem Brexit-Votum der Briten hat der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Konjunkturprognose leicht abgesenkt. Danach wird das Wirtschaftswachstum sowohl in diesem, als auch im kommenden Jahr weltweit beeinträchtigt.

Für 2016 prognostiziert der IWF für die Weltwirtschaft ein Plus von 3,1 Prozent, für 2017 von 3,4 Prozent. Beide Schätzungen liegen jeweils 0,1 Prozentpunkte niedriger als die Prognose vom April. Es habe in der ersten Jahreshälfte ermutigende Signale gegeben, sagte IWF-Chefvolkswirt Maurice Obstfeld. Die EU-Länder und Japan seien stärker als erwartet gewachsen. Doch "der Brexit hat neuen Sand ins Getriebe gestreut", sagte Obstfeld.

Besonders kräftig revidierte der IWF seine Erwartungen für Großbritannien. Dort wird nun 2016 nur noch mit einem Zuwachs von 1,7 Prozent und für 2017 mit 1,3 Prozent gerechnet. Das ist eine Korrektur um 0,2 Punkte nach unten in diesem und um 0,9 Punkte im nächsten Jahr. Auch für Deutschland nahm der IWF seine Prognose für 2017 kräftig zurück: um 0,4 Punkte auf 1,2 Prozent.

Befürchtungen bestätigen sich

Bereits eine Woche nach dem Votum der Briten hatte der IWF gewarnt, dies sei das derzeit "wahrscheinlich größte Risiko für die Weltwirtschaft", weil es "erhebliche Unsicherheit" geschaffen habe.

IWF-Chefin Christine Lagarde forderte wenige Tage später einen schnellen Zeitplan für den Austritt Großbritanniens aus der EU. Je schneller der Zeitplan und die Konditionen für den Abschied des Landes aus der EU feststünden, "desto besser ist das für alle", sagte sie. Der Ausstiegsprozess müsse so rasch wie möglich "berechenbar" werden, um die durch den Ausgang des Referendums erzeugten "Unsicherheiten" zu reduzieren.

IWF: Politik müsse mit Reformen für Wachstum sorgen

Die Politik darf sich laut Internationalem Währungsfonds nicht einfach mit einem schwächeren Wirtschaftswachstum abfinden. "Die politisch Verantwortlichen sollen die aktuellen niedrigen Wachstumsraten nicht als neue Normalität hinnehmen, die durch Faktoren bestimmt ist, auf die sie keinen Einfluss haben", sagte Maurice Obstfeld.

Andernfalls drohten Folgen, die weitreichender seien als nur die Gefahr eines Absturzes in eine Dauerstagnation. Vielmehr drohe in einem solchen Umfeld auch eine Zunahme der sozialen Spannungen in vielen Ländern.

"Zeit für Strukturreformen"

Mit Blick auf das Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer Ende der Woche in China forderte Obstfeld, die Instrumente der Struktur-, Geld- und Fiskalpolitik zu nutzen, um zu einem dauerhafteren und stabileren Wachstum zu kommen. Es sei Zeit, mehr über Strukturreformen nachzudenken.

Außerdem warnte Obstfeld vor Handelsbeschränkungen, wie sie beispielsweise der republikanische US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump vorschlägt. Eine auf die Binnensicht orientierte Politik könne auch bei anderen Ländern eine Welle von Protektionismus auslösen. Das aber würde das Wachstum weltweit beeinträchtigen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 19. Juli 2016 um 15:26 Uhr