Klingel mit zehn Schildern an einem Hauseingang. Nur bei einer einzigen Wohnung steht noch eine Name.
Bildrechte: BR / Sandra Demmelhuber

Ein Wohnhaus in bester Lage in München-Schwabing. Nur noch ein Mieter lebt dort. Alle anderen Wohnungen sind seit Jahren leer.

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Wie Investoren und Eigentümer vom Leerstand profitieren

Selbst in Städten wie München, wo Wohnraum heiß begehrt und knapp ist, stehen ganze Häuser leer – teilweise in besten Lagen. Woran liegt das? Und warum profitieren die Besitzer trotzdem davon?

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

An der Münchner Freiheit steht ein sandfarbenes, kastenförmiges Wohnhaus. Altbau, hohe Decken, dunkelgrüne Fensterrahmen. Eigentlich nichts Besonderes in Altschwabing. Wenn man aber genauer hinschaut, fällt auf, dass in keiner Wohnung Licht brennt, obwohl es draußen schon dämmert. Ein Blick auf das Klingelschild neben der Haustüre erklärt den Grund: Es gibt zehn Knöpfe, aber nur unter einem einzigen Sichtfenster klebt ein Name. Und tatsächlich: In diesem Haus wohnt nur noch ein einziger Mieter – in bester Münchner Lage.

Wohnhaus in bester Lage steht seit fast sechs Jahren leer

Seit etwa sechs Jahren steht das Haus fast leer, berichten die Nachbarn in dem Viertel. Ein Münchner Investor soll das ganze Gebäude gekauft und die Anwohner mit einer Abfindung zum Auszug bewegt haben. Saniert wurde bislang nicht.

Doch warum eigentlich nicht? Die Nachfrage nach Wohnungen in dieser Lage müsste doch enorm sein. Die Nachbarn und Passanten sind ratlos: "Das fragen wir uns beide, mein Mann und ich", sagt eine ältere Dame aus der Gegend. "Es ist schrecklich, da hat man Angst, dass da mal irgendwelche Ratten kommen … greislich."

Auch dem Mieterverein München und der Stadt ist der Altbau bekannt. Der Investor wollte das über 100 Jahre alte Haus nicht nur sanieren, sondern auch Anbauten vornehmen. Doch entsprechende Anträge wurden von Seiten der Stadt München abgelehnt. Der Grund: Das Haus steht unter Denkmalschutz, dadurch gibt es Auflagen für eine Sanierung.

Auf BR-Anfrage hat sich der Investor des Gebäudes nicht zu den Hintergründen geäußert. Es ist also weiterhin unklar, wie lange es noch dauern wird, bis die Wohnungen wieder vermietet werden können.

Vom Leerstand profitieren vor allem die Eigentümer

Stehen Wohnungen oder sogar ganze Häuser in Gebieten wie München leer, dann profitieren davon vor allem die Eigentümer, so Angela Lutz-Plank. Die Volljuristin und Spezialistin für Mietrecht ist Geschäftsführerin vom Mieterverein München und erklärt: "Investoren machen das vor allen Dingen deshalb, um zum einen das Haus vollkommen leer zu bekommen, da sie letztendlich das Haus in selbstständige Eigentumswohnungen aufteilen können, die einzelnen Wohnungen modernisieren und dann sehr, sehr teuer weiterverkaufen können".

Es gibt aber laut der Juristin noch einen weiteren Grund, warum manche Investoren oder Eigentümer Gebäude bewusst leer stehen lassen: "Weil die Grundstückspreise und die Bodenpreise so massiv ansteigen, insbesondere auch in München, dass sich der Leerstand schon deshalb lohnt. Um dann das Haus in einigen Jahren teuer weiterzuverkaufen."

Extremer Anstieg der Bodenpreise in München

Das fast leere Wohnhaus in Schwabing ist da kein Einzelfall. Auch in anderen Stadtteilen, etwa in Nymphenburg oder Bogenhausen, stehen ganze Gebäude leer oder verfallen. Manche Investoren und Eigentümer spielen dabei laut Mieterverein München bewusst auf Zeit. Denn je später ein Haus verkauft wird, desto teurer wird es. Beispiel München: Der Bodenpreis in der Stadt steigt derzeit pro Jahr um etwa 14 Prozent. Seit 1950 sollen die Bodenpreise sogar um rund 40.000 Prozent gestiegen sein.

Stadt München will gegen Wohnungsleerstand vorgehen

Die Stadt München will gegen den Wohnungsleerstand vorgehen. Wenn eine Wohnung oder ein Haus ohne nachvollziehbaren Grund – also beispielsweise wegen einer Renovierung oder der Wartezeit auf eine Baugenehmigung – länger als drei Monate lang leer steht, dann gilt dies als Zweckentfremdung und das ist in München verboten.

Hedwig Thomalla vom Sozialreferat München erklärt, wie Anwohnerinnen und Anwohner reagieren können, wenn in der Nachbarschaft ein anhaltender Leerstand beobachtet wird. "Wenn jemand den Verdacht hat, dass eine Wohnung im eigenen Haus oder im Nachbarhaus zweckentfremdet wird und ungerechtfertigt leer steht, dann kann so ein Verdacht bei uns gemeldet werden." Die Stadt München habe deshalb eine eigene Meldeplattform eingerichtet, bei der auch anonym ein solcher Verdacht gemeldet werden könne.

Allerdings: Wohnungsleerstand ist in München kein grundsätzlich großes Problem. Das bestätigt auch der Mieterverein München. Laut Informationen der Stadt München beträgt die Leerstandsquote derzeit 0,41 Prozent.

Meldeplattform für Leerstand auch in Rosenheim

Wohnungsmangel auf der einen und Leerstand auf der anderen Seite ist auch auf dem Land ein Thema. Die Jusos im Landkreis Rosenheim haben deshalb vor gut einer Woche ebenfalls eine Meldeplattform für Leerstand eingerichtet. Luca Fischer berichtet, wie die Idee dazu kam: "Weil einige Freunde, Bekannte und Arbeitskollegen momentan auf Wohnungssuche sind und entweder keine beziehungsweise nur viel zu teuren Wohnraum finden. Wir sprechen inzwischen von 13 bis 15 Euro kalt pro Quadratmeter."

Auch die Hausbesetzungen in Rosenheim hätten diese Not noch weiter bestätigt, so der junge Politiker. Vor einem Monat hat das Amtsgericht Rosenheim drei junge Aktivisten verurteilt, die 2023 ein leer stehendes Hotel besetzt hatten. Ein Aktivist der Gruppe erklärte damals im BR, dass man mit dieser Aktion ein Zeichen setzen wolle. Es sei unerträglich, dass so ein großes Gebäude so lange leer stehe, während die Mieten weiter steigen und immer mehr Menschen nicht wissen, wie sie ihren Wohnraum finanzieren sollen.

Inzwischen, so Luca Fischer von den Jusos im Landkreis Rosenheim, sind nach rund einer Woche schon über 40 Meldungen eingegangen. Die Stadt Rosenheim teilt auf BR-Anfrage mit, dass es sich bei dem neuen Leerstandsmelder um ein "interessantes Tool" handle. Allerdings wäre eine deutlichere Differenzierung zwischen gewerblichem Leerstand und leerem Wohnraum wünschenswert.

Bezahlbarer Wohnraum ist vielerorts zur Mangelware geworden

Auch die jungen Sozialdemokraten im Landkreis Rosenheim wollen mit der Plattform nicht nur den Leerstand sichtbarer machen, sondern darauf aufmerksam machen, dass bezahlbarer Wohnraum mittlerweile vielerorts zur Mangelware geworden ist.

Das hat auch Julia Scholinsky gemerkt. Die junge Mutter ist an diesem Mittwochabend mit einem Kinderwagen an der Münchner Freiheit unterwegs. Lange hat sie in den letzten Monaten nach einer bezahlbaren Wohnung für ihre Familie gesucht. Genau in dem Viertel, wo auch das Haus mit den vielen leeren Wohnungen steht.

"Es gibt so viele Wohnungen, die nur am Wochenende bewohnt werden oder mal zur Ferienzeit, also so viele Wohnungen, die eigentlich tatsächlich leer stehen oder mehrere Zimmer haben und von Single-Haushalten bewohnt werden", sagt sie. Für Familien sei das ein Unding, denn "gerade der Mietpreis hier ist ja auch nicht so, dass man so viele Möglichkeiten hätte".

Bildrechte: BR/Sandra Demmelhuber
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Das fast leere Haus in München-Schwabing.

Dieser Artikel ist erstmals am 25.03.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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