Beitrag von Margot Käßmann "Sicherheit entsteht nur durch Vertrauen"

Stand: 27.08.2007 13:29 Uhr

Das gemeinsame Projekt "Essays zur Sicherheitsdebatte" von tagesschau.de und der Bundeszentrale für politische Bildung eröffnet neue Perspektiven in der aktuellen Terrordiskussion. Namhafte Autoren wurden gebeten, in einem Beitrag zu schildern, wie sie persönlich - vor dem Hintergrund ihrer eigenen Geschichte und Erfahrungen – die Auseinandersetzung empfinden.

Von Landesbischöfin Margot Käßmann

Es ist meines Erachtens hochproblematisch, dass in der politischen Debatte zur Zeit immer wieder unterschiedlichste Motive vermischt werden. Ein Beispiel dafür war die Debatte um das Zuwanderungsgesetz, das nun endlich vereinbart ist. Es ist wichtig, dass es nun Rechtssicherheit schafft, etwa für die Menschen, die von Duldung zu Duldung leben müssen. Ja, Abschiebung ist notwendig, wenn Menschen ohne Aufenthaltsrecht in Deutschland sind. Aber Flüchtlinge müssen bei uns auch dauerhaft Schutz finden, sie brauchen eine Perspektive, eine Art Fenster zum Leben. Das gilt auch für Härtefälle: etwa für Familien, die bei uns integriert sind, deutsch sprechen, Wohnung und Arbeitsplatz haben.

Ja, dem Terror muss entschlossen entgegen getreten werden. Aber die Menschenwürde darf der Angst vor dem Terror nicht geopfert werden. Mich beunruhigt in der derzeitigen Debatte, dass die Bilder von Folter in amerikanischen Gefängnissen im Irak das Zerwürfnis zwischen so genannter "westlicher" und so genannter "islamischer" Welt vertiefen. Wir können nicht glaubwürdig mit unserer Kultur im Namen der Freiheit, der Menschenwürde und der Gerechtigkeit antreten, wenn eben diese Kultur solch tiefe Demütigungen auf irgendeine Art und Weise tolerieren würde. Insbesondere die Verhüllung des Gesichtes, also der Individualität und zugleich die Entblößung der Scham, stehen in krassem Widerspruch zu allem, wofür unsere christliche Tradition eintritt.

"Wer Folter rechtfertigt, verrät die Ideale der Demokratie"

Ja, wir wissen, dass Menschen Fehler machen. Aber jeder Versuch, Folter auch nur ansatzweise rechtfertigen zu wollen, ist für mich ein Verrat an den Idealen westlicher Demokratien und ihrer Verfassung, die ich auch auf das christliche Menschenbild zurückführe. Folter ist grundsätzlich, absolut, ohne jede Einschränkung inakzeptabel! Einen Vergleich mit der Empörung über die Ermordung des jungen US-Soldaten Berg vor laufender Kamera halte ich schon deshalb für völlig unangemessen, weil wir dann die Armee einer westlichen Demokratie mit Terroristen, denen die individuellen Menschenrechte offenbar völlig irrelevant erscheinen, auf eine Stufe stellen würden. Wir haben allen Grund, hier etwas anderes zu erwarten.

Eine klare Verurteilung nicht nur der kleinen Leute, sondern in der Tat der Verantwortlichen, eine transparente Aufklärung der Vorgänge, Zugang zu den US-Gefängnissen, auch in Guantanamo, Akzeptanz des internationalen Strafgerichtshofes für alle Soldatinnen und Soldaten und ein kritischer Blick auf die Gefängnisse im eigenen Land scheinen mir die dringende Folge. Es ist offensichtlich die grausame Wahrheit, dass Krieg immer Vergewaltigung und Folter im Schlepptau führt. Insofern gilt es, Krieg zu verhindern, die Polizeifunktion und damit ein internationales Gewaltmonopol der UN auszubauen, aber auch da wachsam und offen hinzuschauen, wo deutsche Soldaten im Land "out of area" dienen. Das ist kein Misstrauen, sondern eine Frage der Menschenwürde – bei den Beteiligten auf allen Seiten.

"Versöhnung ist Anliegen des christlichen Glaubens"

Mir liegt daran, dass die derzeitige Debatte, die viel Misstrauen und auch Hass sät, nicht von einem "clash of cultures" zu einem "clash of religions" wird. Nein, Religion darf sich nicht weiter dazu verführen lassen, Konflikte zu verstärken oder politische Auseinandersetzungen zu ihrer Sache zu machen. Es gilt, intensiv darum zu ringen, dass Religionen zur Konfliktentschärfung beitragen. Versöhnung und Frieden sind ureigenstes Anliegen des christlichen Glaubens. Ein Dialog der Religionen kann dazu beitragen, die derzeitige Debatte von manchen Feindbildern und Ängsten zu befreien.

"Sicherheit entsteht durch Vertrauen"

Der evangelische Theloge Dietrich Bonhoeffer, der 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet wurde, sagte vor fast genau 70 Jahren in einer Morgenandacht: "Es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg der Sicherheit." Das sollte neu bewusst werden. Sicherheit entsteht nur durch Vertrauen und Frieden. Viele halten das für naiv. Der Versuch, Sicherheit durch Gewalt und Krieg zu erreichen, ist aber ganz aktuell wieder kläglich gescheitert. Insofern sollte in Versöhnung und Verständigung investiert werden. Dafür aber wird in der Regel kaum Geld, Zeit und Kraft investiert. Hier gilt es, nun einmal wahrhaftig neues Denken zu wagen.