Interview

Terrorismusforscher Hirschmann "CIA-Aktionen ungeeignet zur Terrorbekämpfung"

Stand: 26.08.2007 01:14 Uhr

Die Entführung von Khaled al Masri durch den amerikanischen Geheimdienst CIA hat weltweit für Aufsehen gesorgt. Hat es bei der Verschleppung eine Zusammenarbeit mit den deutschen Geheimdiensten gegeben? tagesschau.de sprach mit dem Essener Terrorismusforscher Kai Hirschmann.   

Die Geschichte von Khaled al Masri klingt zunächst unglaubwürdig und ist doch wahr. Vom amerikanischen Geheimdienst CIA wurde er unbegründet nach Afghanistan verschleppt. Haben die US-Sicherheitsbehörden mit den deutschen Geheimdiensten zusammengearbeitet? tagesschau.de sprach mit dem Essener Terrorismusforscher Kai Hirschmann.

tagesschau.de: Wie tauschen sich befreundete Geheimdienste untereinander aus?

Kai Hirschmann: Grundsätzlich muss man sagen, dass Nachrichtendienste ein zutiefst nationales Instrument der Politik sind. Es kann sein, dass zwei Regierungen in bestimmten Bereichen gleiche Interessen haben oder sich gemeinsam einer Bedrohungen ausgesetzt sehen. Dann kann es dazu kommen, dass die Regierungen vereinbaren, Informationen auszutauschen.

tagesschau.de: Gibt es so etwas wie einen direkten Draht?

Hirschmann: Es gibt natürlich Arbeitsbeziehungen. So wie wir das in jeder anderen Behörde auch kennen, z.B. zwischen Behördenleitern. Aber auch auf Arbeitsebene gibt es Ansprechpartner. Da kann man sich häufig auf dem kurzen Dienstweg treffen und z.B. Dokumente austauschen. Manchmal geht das auch über Diplomaten, also über die Botschaften oder auch direkt auf Regierungsebene. Dass haben wir im Motassadeq-Prozess gesehen: Wie häufig haben sich der amerikanische und der deutsche Justizminister getroffen und über die Herausgabe von Verhörprotokollen verhandelt. Allerdings: Über das Ausmaß der Zusammenarbeit entscheidet immer die nationale Regierung.

tagesschau.de: Die Geheimdienste können also nicht eigenmächtig Informationen weitergeben?

Hirschmann: Die Freiheit besteht deshalb nicht, weil eine Regierung die Kontrolle darüber haben will, was der Partner bekommen darf und was nicht. Das beste Beispiel: Madrid nach den Anschlägen vom 11. März. Lange Zeit hörte man aus spanischen Sicherheitskreisen, dass die Eta für die Anschläge verantwortlich ist. Das war im Interesse der spanischen Regierung. Wir wissen, dass der frühere Innenminister Schily sehr verstimmt darüber war. Also: Es geht nur das raus, was die Regierung will. Das ist beim CIA nicht anders als beim BND.

tagesschau.de: Ist das ein wirklicher Austausch zwischen amerikanischen und deutschen Behörden oder eher eine Einbahnstraße?

Hirschmann: Das ist schwierig zu sagen. Es gibt viele, die sagen: Die Amerikaner fordern viel, ohne etwas preiszugeben. Das ist schon ein Vorwurf, den man aus Deutschland, aber auch aus anderen europäischen Staaten immer mal wieder hört. Ich gehe davon aus, dass da etwas dran ist.

tagesschau.de: Haben die Geheimdienste irgendeine Kontrolle darüber, was mit ihren Informationen geschieht?

Hirschmann: Es werden ja nicht nur 'hard facts' ausgetauscht, z.B.: Um 10.50 Uhr hat Herr XY das Gebäude verlassen. Das ist relativ eindeutig. Häufig aber müssen die Informationen erst noch bewertet werden. Wie vertrauenswürdig ist die Quelle, stecken vielleicht nur kommerzielle Interessen dahinter? So kann es sein, dass die Partner mit den gleichen Informationen zu einem anderen Schluss kommen. Eine Kontrolle ist da überhaupt nicht möglich.

tagesschau.de: Die Praktiken amerikanischer Geheimdienste sind völkerrechtlich zumindest umstritten. Dürfen sich deutsche Dienste dann überhaupt daran beteiligen?

Hirschmann: Die Politiker in Europa und den USA haben eine grundsätzlich andere Auffassung davon, wie man den Terrorismus bekämpfen soll. Wir glauben nicht, dass die jüngsten CIA-Aktionen geeignet sind, den internationalen Terrorismus zu bekämpfen. Aus der Sicht der Terrorismusforschung fördern sie den Terror eher. Einzelne Personen aus dem Verkehr zu ziehen, damit kann man einer Idee im Kopf nicht beikommen. Und deswegen sollte es den deutschen Behörden schwierig sein, überhaupt bei dieser Form der Terrorbekämpfung Seite an Seite mit den Amerikanern zu arbeiten. Ganz abgesehen davon, dass es uns die Gesetz verbieten bei so einer Art der Terrorbekämpfung mitzumachen.

tagesschau.de: Und das gilt auch für den Informationsaustausch?

Hirschmann: Wenn jemand tatsächlich und offensichtlich etwas mit Al Kaida zu tun hat, wenn Osama Bin Laden z.B. in München wäre, dann würden wir sicher bei einer Festnahme mitmachen. Da gibt es gemeinsame Interessen. Aber Kidnapping, Nötigung und Verschleppung: Da ist es von vorne herein bekannt, dass das Straftatbestände sind. Ich gehen davon aus, dass sich die deutschen Behörden in keiner Weise an solchen Aktionen beteiligen.

tagesschau.de: Muss die Bundesregierung bei der Kooperation und der Informationsweitergabe trotzdem etwas ändern?

Hirschmann: Es geht nicht ohne den Austausch. Sie sind konfrontiert mit einer weltweiten Bedrohung. Es geht um eine Ideologie in den Köpfen, die weltweit die gleiche ist und die auf Nationalstaaten keine Rücksicht nimmt. Wenn sie gegen eine solche Ideologie der Gewalt antreten wollen, dann können sie das nur gemeinsam machen. Sie müssen die Informationen mit anderen teilen. Nur müssen sie auch eine gemeinsame Grundlage haben, was dann aus den Informationen abzuleiten ist. Bei den Europäern klappt das, aber bei den USA gibt es da nach dem 11. September offenbar andere Regeln.

Die Fragen für tagesschau.de stellte Philipp Abresch.