Eine Doktorandin arbeitet in einem Forschungszentrum.
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Gesetz im Kabinett Schluss mit Kurzzeitverträgen in der Wissenschaft?

Stand: 27.03.2024 10:36 Uhr

Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen besser vor kurz laufenden Arbeitsverträgen und Kettenbefristungen geschützt werden. Was sich ändern soll und warum das Vorhaben umstritten ist.

Worum geht es?

Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz regelt seit 2007 die Frage von Befristungen von Arbeitsverträgen für wissenschaftliches und künstlerisches Personal an staatlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Es steht schon lange in der Kritik, weil sich in der Praxis viele junge Forscherinnen und Forscher von einem befristeten Arbeitsvertrag zum nächsten hangeln müssen.

Nach Daten des Bundesbildungsministeriums waren 2022 an staatlichen Hochschulen von insgesamt 227.000 hauptberuflich wissenschaftlich und künstlerisch Beschäftigten 178.000 befristet angestellt.

Wer sich in einer bestimmten Zeit keine der begehrten Professuren oder eine der anderen unbefristeten Stellen gesichert hat, muss anderswo unterkommen. Unter dem Hashtag "IchBinHanna" machen Betroffene seit längerem im Netz auf ihre Situation aufmerksam.

Was ist das Problem?

Befristungen an sich hält das Bundesbildungsministerium zwar für sinnvoll, damit junge Wissenschaftler nachrücken können und es eine gewisse Fluktuation gibt. Aber der Anteil an Kurzzeitverträgen sei immer noch hoch, argumentiert das Ministerium in seinem Gesetzentwurf auch. Mindestens jeder dritte befristete Vertrag an Hochschulen und jeder vierte an außeruniversitären Forschungseinrichtungen hat demnach sogar nur eine Laufzeit von weniger als einem Jahr.

Für Betroffene bedeutet das fehlende berufliche Sicherheit und keine Planbarkeit auch mit Blick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Besonders attraktiv sind Arbeitsplätze in der Wissenschaft in Zeiten des Fachkräftemangels damit auch nicht.

Was soll sich ändern?

Mit der Reform sollen nun Mindestvertragslaufzeiten eingeführt werden. Der erste Arbeitsvertrag vor der Promotion - also vor dem Doktortitel - muss in der Regel eine Laufzeit von mindestens drei und nach der Promotion in der sogenannten Post-Doc-Phase von mindestens zwei Jahren haben.

Post-Docs sollen außerdem künftig für maximal vier Jahre befristet beschäftigt werden dürfen. Bisher waren es sechs Jahre. Weitere zwei Jahre sollen dann nur noch mit verbindlicher Zusage für eine anschließende unbefristete Stelle zulässig sein. Innerhalb dieser zwei Jahre müssen vorher gemeinsam definierte Forschungsziele erreicht werden.

Auch für studentische Beschäftigte soll sich etwas ändern: Sie dürfen künftig bis zu acht Jahre (bisher maximal sechs) befristet beschäftigt werden, damit sie sich bei Überschreitung der Regelstudienzeit zum Studienende nicht noch einen neuen Nebenjob suchen müssen. Und eine Mindestvertragslaufzeit von einem Jahr soll mehr Verlässlichkeit schaffen. Bisher liefen Verträge nach Ministeriumsangaben im Schnitt über ein knappes halbes Jahr und wurden immer wieder verlängert.

Warum ist das Gesetz umstritten?

Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Betriebsräten und Studierendenvertretern begrüßt zwar die geplanten Mindestvertragslaufzeiten, kritisiert aber die geplante Verkürzung der Befristungsdauer nach der Promotion von sechs auf vier Jahre. Dies schade den Wissenschaftlern, "die in der Rush Hour des Lebens in höchstem Konkurrenzdruck von Befristung zu Befristung eilen", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung unter anderem von Deutschen Gewerkschaftsbund, ver.di und den Gesamtbetriebsräten der Fraunhofer- und Max-Planck-Gesellschaften, die der Nachrichtenagentur dpa vorliegt.

Sie fordern eine unbefristete Beschäftigung nach der Promotion oder eine verbindliche Zusage zur Entfristung bei Erfüllung festgelegter Kriterien. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Beschäftigten im Wissenschaftsbetrieb bei Tarifverträgen größtenteils außen vor bleiben. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz erlaubt zwar Abweichungen von seinen Regeln durch Tarifverträge. Die Möglichkeiten bleiben aber auch nach der Reform begrenzt.

"Gewerkschaften und Arbeitgeber müssen Verbesserungen für die Beschäftigten aushandeln dürfen - so wie in anderen Branchen auch", fordern die Arbeitnehmervertreter. Sie sprechen von einer "Tarifsperre".

Wie geht es weiter?

Das Gesetz muss nach dem Kabinettsbeschluss noch durch Bundestag und Bundesrat, was mehrere Wochen dauern dürfte. Zustimmungsbedürftig ist es im Bundesrat nicht. Termine für die Beratungen in Parlament und Länderkammer stehen noch nicht fest.

In Kraft treten soll das Gesetz erst ein halbes Jahr, nachdem es beschlossen und im Bundesgesetzblatt verkündet ist, damit die Hochschulen sich darauf einstellen können. Laufende Verträge bleiben außerdem unberührt von den Neuregelungen, heißt es.

Oliver Neuroth, ARD Berlin, tagesschau, 27.03.2024 10:58 Uhr