Kritik der Menschenrechtsbeauftragten an Türkei Deutsche Zweifel an Flüchtlingspakt

Stand: 06.08.2016 03:50 Uhr

Nach der Welle von Verhaftungen und Entlassungen in der Türkei stellt die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung das Flüchtlingsabkommen infrage. "Wir müssen umdenken", sagte Kofler. Griechenland dementierte unterdessen, dass es einen Plan B zum Flüchtlingspakt gefordert habe.

Das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei kann nach Ansicht der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung nicht so fortgesetzt werden wie bisher. "Im Lichte der aktuellen Entwicklungen in der Türkei müssen wir umdenken", sagte die SPD-Politikerin Bärbel Kofler den Zeitungen des "Redaktionsnetzwerks Deutschland". Kofler forderte eine "Neubewertung" des EU-Türkei-Flüchtlingpakts.

Bärbel Kofler

Die Menschenrechtsbeauftrage Kofler zweifelt an der Rechtsstaatlichkeit der Türkei.

"Das Abkommen setzt Rechtsstaatlichkeit auf allen Seiten voraus, in der Türkei ist diese zurzeit nicht gegeben", sagte die Regierungsbeauftragte. Wegen der aktuellen Lage in der Türkei sei es "falsch, wenn wir rechtsstaatliche Entscheidungen dorthin auslagern".

Zwar habe die Türkei viele Anstrengungen zur Versorgung der drei Millionen Syrer im Land unternommen, räumte Kofler ein. Auch sei es richtig, dass Deutschland und die EU sich finanziell daran beteiligten. "Vieles an dem Flüchtlingsabkommen funktioniert jedoch nicht", kritisierte Kofler. Sie beklagte "verschwindend geringe" Zahlen von Syrern, die seit der Unterzeichnung des Abkommens im März legal aus der Türkei in die EU eingereist seien. Man wisse auch, dass die Bearbeitung der Asylanträge von Afghanen, Irakern und Iranern in der Türkei nicht nach rechtsstaatlichen Regeln erfolge.

Die Bundesregierung müsse sich jetzt Gedanken machen über andere Asylverfahren, regte sie an. Möglich sei zum Beispiel ein weiterer Ausbau der deutschen Botschaften im Nahen und Mittleren Osten, wo Schutzsuchende ihren Asylantrag stellen könnten.

Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok warnte vor einem Aussetzen des Flüchtlingsabkommens zwischen der EU und der Türkei. Es müsse unterschieden werden zwischen dem, was Präsident Erdogan "innenpolitisch macht und da ist vieles nicht in Ordnung", sagte er im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. Auf der anderen Seite helfe der Flüchtlingsdeal aber dabei, "gegen Menschenhändler vorzugehen". Die Vereinbarung mit Ankara komme außerdem den drei Millionen syrischen Flüchtlingen zugute, die seit Jahren in der Türkei lebten, sagte Brok.

Griechenland dementiert Forderung nach "Plan B"

Der griechische Migrationsminister Yiannis Mouzalas dementierte unterdessen, in einem Zeitungsinterview einen Plan B von der EU gefordert zu haben, falls die Türkei den Flüchtlingspakt scheitern lässt. Der Minister widerspreche der Übersetzung seiner Äußerungen in der "Bild"-Zeitung, teilte sein Haus mit. Das Ministerium veröffentlichte auf seiner Website zugleich die Antworten von Mouzalas auf Griechisch. Demnach sagte der Minister auf die Frage, ob ein Plan B notwendig sei, sollte die Türkei den Flüchtlingsdeal aufkündigen: "Griechenland ist in das Abkommen der EU mit der Türkei eingebunden, das einerseits von der Unterstützung der EU und andererseits von der Verpflichtung der Türkei abhängt, dieses zu respektieren". Natürlich verfolge die griechische Regierung die Situation "und natürlich sind wir besorgt, aber bislang deutet die Zahl der Menschen, die auf den griechischen Inseln eintreffen, nicht an, dass das Abkommen nicht eingehalten wird", sagte Mouzalas demnach weiter.

Der griechische Migrationsminister Ioannis Mouzalas

"Wir sind beunruhigt", sagt Griechenlands Migrationsminister Mouzalas.

Der EU-Flüchtlingspakt sieht vor, dass illegal in Griechenland eingereiste Flüchtlinge und Migranten zurück in die Türkei geschickt werden. Für jeden zurückgeschickten syrischen Flüchtling darf seit dem 4. April ein anderer Syrer aus der Türkei legal und direkt in die EU einreisen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das nachtmagazin am 03. August 2016 um 00:20 Uhr.