Studenten demonstrieren in Barcelona für das Referendum

Katalonien-Konflikt Spielten russische Spione eine Rolle?

Stand: 17.01.2020 11:50 Uhr

Ein Katalonien, unabhängig von Spanien - für Separatisten war das 2017 das Ziel. Gab es Einfluss von außen? Spaniens Regierung ging zunächst von russischen Hackern aus. Nun ist von Spionen die Rede.

Oktober 2017, wenige Tage nach dem verbotenen Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien: Über die sozialen Netzwerke verbreiten sich zigtausendfach Nachrichten, die Spanien für sein Eingreifen in den Katalonien-Konflikt kritisieren. Die katalanischen Separatisten kommen in den Posts dagegen oft gut weg. Spaniens damaliger Ministerpräsident Mariano Rajoy vermutet gezielt organisierte Stimmungsmache: "Ich kann nicht definitiv sagen, dass die russische Regierung dahintersteckt. Was wir aber wissen: 55 Prozent dieser Fake-Profile kommen aus Russland, 30 Prozent aus Venezuela."

Spaniens Ministerpräsident Rajoy

Spaniens damaliger Ministerpräsident Rajoy vermutete zunächst, dass russische Hacker Einfluss genommen hätten.

Russische Tweets gegen Spaniens Regierung?

Rückendeckung bekommt Rajoy damals von der George Washington University in den USA. Dort forscht der Spanier Javier Lesaca. Er stellt in einer Untersuchung fest, dass aus dem Umfeld des Kreml schon vor dem Referendum gezielt Stimmung gegen den spanischen Staat gemacht wurde - vor allem über Twitter.

Dort hätten acht von zehn der untersuchten Posts die katalanische Unabhängigkeitsbewegung unterstützt. Die Propaganda laufe über automatisierte Profile, sagt Lesaca: "87 Prozent der Posts wurden nicht von Menschen versendet. Von den Profilen wurden oft mehr als 100 Posts am Tag verschickt, oft nur Retweets, keine eigenen Nachrichten. Viele der Profile sind auch komplett gleichgeschaltet mit anderen."

Aus Hackern wurden Spione

So schnell diese Geschichte 2017 in die spanischen Medien kam, so schnell verschwand sie auch wieder - um nun wieder aufzutauchen. Jetzt waren statt Hacker Spione in der Hauptrolle. Nach Informationen der Zeitung "El País" waren in der Zeit des Unabhängigkeitsreferendums russische Agenten in Katalonien unterwegs, die Verbindungen zum Militärgeheimdienst GRU haben sollen.

Im Interview mit dem spanischen Fernsehsender TVE macht der Ex-Kreml-Abgeordnete Segei Markov kein Geheimnis aus solchen Missionen: Bei politischen Krisen seien mehr Spione in den jeweiligen Ländern nötig - das sei ihr Job.

Carles Puigdemont spricht per Videoübertragung auf einer Wahlkampfveranstaltung für die Partei "Gemeinsam für Katalonien".

Hatte der russische Militärgeheimdienst Kontakt zu Kataloniens Ex-Regionalpräsident Puigdemont?

Einfluss auf Separatisten

Das höchste spanische Gericht hat Ermittlungen gegen den russischen Militärgeheimdienst eingeleitet. Die Spione sollen Verbindungen zu radikalen Separatistengruppen und zu Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont gehabt haben. Noch mehr: Einer von ihnen habe nach den Zeitungsberichten Puigdemont schließlich dazu gebracht, die Unabhängigkeit Kataloniens auszurufen. 

Spaniens Ex-Außenminister Josep Borell sagte, ihm lägen keine Informationen vor, die über die Presseberichte hinausgingen. Wundern dürften den Minister die Berichte aber keinesfalls.

Ziel: Spanien destabilisieren

Experten weisen immer wieder darauf hin, dass Russland in Europa Konflikte schüren will. Spanien stand 2017 seiner größten innenpolitischen Krise der jüngeren Geschichte gegenüber, dem drohenden Zerfall des Landes durch eine Unabhängigkeitsbewegung.

Russische Kräfte erkannten, dass Spanien - und damit Europa - an dieser Stelle verletzlich war. Dass der separatistischen Regionalregierung Kataloniens russische Hilfe willkommen gewesen sein dürfte, wundert ebenfalls kaum. Denn Kräfte dort möchten Spanien destabilisieren - und dazu sind ihnen viele Mittel recht.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 17. Januar 2020 um 07:45 Uhr.