Zehn Jahre 9/11 "Terrorismus ringt man nicht durch Kriege nieder"

Stand: 05.09.2011 14:21 Uhr

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 rief der damalige US-Präsident Bush zum "Krieg gegen den Terror" auf. Doch auch innerhalb seiner Regierung gab es Kritiker, die diesen Kurs für falsch hielten. Ein Ex-Beamter erklärt: Terrorismus ist durch Kriege nicht zu besiegen.

Von Silke Hasselmann, MDR-Hörfunkstudio Washington

Genau wie in New York City war es auch in Washington am 11. September 2001 kurz vor 9 Uhr morgens, als Douglas Paal - damals im Sicherheitsstab des Auswärtigen Amtes beschäftigt - auf dem Weg ins Büro einen Anruf bekam: Der erste der Zwillingstürme war getroffen. "Ich wusste sofort: Das ist kein Unfall", sagt er heute.

Wenig später brannte das Pentagon und es kam zur Generalevakuierung der Stadt. Paal erinnert sich: "Ich war so wütend: Ich kann diesen Leuten nicht die Genugtuung geben, dass sie uns zur Veränderung unseres Lebens zwingen", sagt er und fügt hinzu: "Wir haben zu vieles verändert, wir sind ein bisschen durchgedreht."

 

Gefahr durch Al Kaida jahrelang unterschätzt

Der fließend Japanisch und Mandarin sprechende Asienspezialist arbeitete in den 1980-er und 1990-er Jahren als Chefanalyst für die CIA, im Nationalen Sicherheitsrat und in den US-Botschaften in Singapur und China.

Paal bekam frühzeitig mit, was nach 9/11 offen zutage getreten ist: Zu wenige der entscheidenden Leute hatten das islamistische Terrornetzwerk Al Kaida und deren Mitbegründer Osama Bin Laden rechtzeitig die nötige Aufmerksamkeit geschenkt. Das gelte sowohl für die beiden Präsidenten George und George W. Bush als auch für Präsident Bill Clinton.

Regelmäßig habe er sich damals mit Paul "Jerry" Bremer zum Essen getroffen. Der spätere US-Sondergesandte im Irak war damals für Terrorismusbekämpfung zuständig und habe ihm seit den späten 1980er-Jahren jedes Mal erzählt, dass Bin Laden es auf die Vereinigten Staaten - und besonders auf das World Trade Center - abgesehen habe. Dennoch sei zu jener Zeit wenig passiert.

Den nach den Anschlägen eingeschlagenen Kurs hält er grundsätzlich für falsch. "Ich glaube, man ringt Terrorismus nicht durch Kriege nieder", sagt Paal und verweist auf die Tötung von Bin Laden: "Das war sorgfältige polizeiliche und nachrichtendienstliche Arbeit. Wir brauchten Soldaten, um die Mission zu Ende zu führen. Aber nicht der Krieg hat ihn getötet."

Silke Hasselmann, S. Hasselmann, MDR Washington, 05.09.2011 03:49 Uhr

Keine Lehren aus dem Nordirland-Konflikt

Man hätte aus der Geschichte vieler Ländern lernen können, mahnt Paal. Vor allem "unsere britischen Freunde hätten uns lieber eindringlicher von ihren Lehren erzählen sollen, statt unsere Kriege mitzumachen." Die Briten hatten jahrzehntelang versucht, die irische Terrorgruppe IRA mit militärischen Mitteln zu besiegen. "Doch irgendwann entdeckten sie, dass jedermann zum Feind wird, wenn man Terror mit Krieg bekämpft."

Noch einen schweren Fehler habe die Bush-Regierung nach 9/11 begangen, fügt der frühere Regierungsbeamte an: Sie habe sich von einer wirklich dramatischen Entwicklung ablenken lassen - dem Aufstieg Chinas.