Russische Botschaft in Berlin

Fall Skripal 15 EU-Staaten weisen russische Diplomaten aus

Stand: 26.03.2018 19:18 Uhr

Für die EU steckt Moskau hinter dem Giftanschlag auf den Ex-Doppelagenten Skripal in Großbritannien. Deshalb weisen 15 EU-Staaten nun russische Diplomaten aus. Auch die USA und Kanada handeln. Russland droht mit Vergeltung.

Als Konsequenz aus dem Giftanschlag auf den russischen Ex-Doppelagenten Sergej Skripal in Großbritannien weisen 15 EU-Länder russische Diplomaten aus. Das gab EU-Ratspräsident Donald Tusk bei einer Pressekonferenz im bulgarischen Warna bekannt. Es soll sich insgesamt um mehr als 30 Personen handeln, verlautete aus EU-Kreisen.

Deutschland entschloss sich, vier russische Diplomaten auszuweisen. Die Entscheidung sei in enger Abstimmung innerhalb der Europäischen Union und mit NATO-Verbündeten gefallen, teilte das Auswärtige Amt mit. "Nach dem Giftanschlag von Salisbury trägt Russland noch immer nicht zur Aufklärung bei", begründete die Behörde die Entscheidung und erklärte:

Die Ausweisung der vier Diplomaten ist ein starkes Signal der Solidarität mit Großbritannien und signalisiert die Entschlossenheit der Bundesregierung, Angriffe auf unsere engsten Partner und Alliierten nicht unbeantwortet zu lassen.

Bundesaußenminister Heiko Maas hob hervor, die Entscheidung sei "nicht leichtfertig" getroffen worden. "Aber die Fakten und Indizien weisen nach Russland." Die Diplomaten müssen die Bundesrepublik innerhalb von sieben Tagen verlassen.

Begründet wird der Schritt auch mit dem Cyber-Angriff von Hackern auf das Auswärtige Amt mit mutmaßlich staatlichem russischem Hintergrund. Maas betonte aber auch: "Wir sind weiterhin offen für einen konstruktiven Dialog mit Russland, der zu vielen internationalen Themen notwendig bleibt."

EU macht Russland verantwortlich

Die EU-Staaten machen Russland für den Giftanschlag in Südengland verantwortlich. Die 28 EU-Regierungen hatten in einer Erklärung des EU-Gipfels am Freitag den Anschlag "in schärfster Weise" verurteilt. Wie Deutschland forderte Frankreich vier Mitarbeiter auf, das Land zu verlassen, Dänemark und die Niederlande je zwei und Tschechien drei. Unter anderen auch Finnland Polen, Italien und die baltischen Staaten schlossen sich der Entscheidung an. Auch die Nicht-EU-Länder Ukraine und Albanien wiesen Diplomaten aus.

Großbritannien und Russland hatten bereits die Ausweisung von 23 Diplomaten des jeweils anderen Landes angeordnet.

Der britische Außenminister Boris Johnson sprach von einer "außergewöhnlichen internationalen Reaktion unserer Verbündeten". Sie zeige, dass Russland nicht straflos internationale Regeln brechen könne. Es handele sich um "die größte kollektive Ausweisung russischer Geheimdienstoffiziere, die jemals erfolgt ist". Großbritanniens Verteidigungsminister Gavin Williamson meinte, die Rückendeckung zahlreicher Länder für Großbritannien sei eine Niederlage für den russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Boris Johnson

Lobt die "außergewöhnliche internationale Reaktion unserer Verbündeten": der britische Außenminister Boris Johnson.

USA weisen 60 Diplomaten aus

Auch die USA vermuten Russland hinter dem Giftanschlag und weisen deshalb 60 russische Geheimdienstmitarbeiter aus. Zwölf von ihnen sind laut Weißem Haus bei den Vereinten Nationen in New York stationiert. Betroffen von den Ausweisungen seien russische Agenten, die in hohem Maße damit beschäftigt seien, "aggressiv Informationen zu sammeln", hieß es weiter vonseiten der US-Regierung. Um welche Informationen es sich handelt, wollte ein hochrangiger Mitarbeiter des Weißen Hauses nicht sagen.

US-Präsident Donald Trump verfügte zudem die komplette Schließung des russischen Konsulats in Seattle. Dieses werde für Spionageaktivitäten gegen eine nahegelegene U-Boot-Basis sowie gegen die Fabrik des Flugzeugherstellers Boeing genutzt, hieß es zur Begründung. Die 60 Russen hätten sieben Tage Zeit, das Land zu verlassen. Mit den Ausweisungen demonstrierten die USA ihre "unverbrüchliche Solidarität" mit Großbritannien, erklärte das US-Außenministerium. Sie seien eine Antwort auf die "fortgesetzten Verstöße" Russlands gegen die internationalen Regeln. Nach den Ausweisungen würden immer noch mehr als 40 bekannte russische Geheimdienstmitarbeiter im Land tätig sein, sagte ein US-Regierungsmitarbeiter.

Kanada schloss sich der Entscheidung ebenfalls an und verwies vier russische Diplomaten des Landes.

Bei dem Anschlag im britischen Salisbury März Skripal und seine Tochter am 4. März schwer vergiftet worden. Die Täter nutzten dabei nach derzeitigem Ermittlungsstand den in der früheren Sowjetunion entwickelten Kampfstoff Nowitschok. Beide befinden sich weiter im Koma. Ärzte bezeichnen ihren Zustand als ernst, aber stabil.

Nervengift Nowitschok

Die Sowjetunion hat unter der Bezeichnung Nowitschok (zu deutsch Neuling) zwischen den 1970er- und 1980er-Jahren eine Serie neuartiger Nervenkampfstoffe entwickelt - im Geheimen, um internationale Verbote zu umgehen. Die rund 100 Varianten gehören zu den berüchtigsten Nervenkampfstoffen, die jemals hergestellt wurden.

Nowitschok, das oft in Form eines extrem feinen Pulvers Verwendung findet, gelangt über Haut oder Atemwege in den Körper und führt meist binnen weniger Stunden zum Erstickungstod. Das Gift ist nur schwer nachzuweisen, die Überlebenschancen der Opfer sind gering. Selbst übliche Gegenmittel wie Atropin können meist nur wenig ausrichten.

Zu Nowitschok sind nur wenige Details bekannt. Vermutlich besteht es aus zwei an sich ungiftigen Komponenten, die ihre tödliche Gefahr erst beim Mischen entfalten.

Scharfe Worte aus Russland

Es wird erwartet, dass sich Putin demnächst zu Wort meldet. Als eine erste Reaktion aus Moskau teilte das russische Außenministerium mit: "Es versteht sich von selbst, dass der unfreundliche Schritt der Ländergruppe nicht folgenlos bleiben wird." Die Maßnahmen würden nichts zur Aufklärung des Giftanschlags beitragen. Es sei lediglich eine Fortsetzung der Konfrontation und eine Provokation. Die Verbündeten Großbritanniens "folgen blind dem Grundsatz der euroatlantischen Einheit entgegen dem gesunden Menschenverstand", hieß es in einer Mitteilung. Es gebe keine objektiven Beweise, dass Moskau für den Anschlag verantwortlich sei.

Demian von Osten, ARD Moskau, zu russischen Reaktionen zum Fall Skripal

tagesschau 16:00 Uhr

Unter Berufung auf den Politiker, Wladimir Dschabarow, Mitglied des Föderationsrates, meldete die staatliche Nachrichtenagentur RIA, dass nun auch 60 US-Diplomaten Russland verlassen müssten. Eine Bestätigung vom Kreml gab es dafür noch nicht. Der russische Botschafter in den USA, Anatoli Antonow sagte nach Angaben der Nachrichtenagentur Ria Nowosti, die russische Regierung sehe ihre Beziehungen zu Washington zerrüttet. Mit der Ausweisung von 60 Diplomaten werde "das Wenige zerstört, das von den russisch-amerikanischen Beziehungen übrig ist".

Die Ausweisungen haben erste wirtschaftliche Folgen. der Rubel geriet unter Druck. Der Eurokurs stieg auf bis auf 71,05 Rubel, nachdem er zuvor bei 70,70 Rubel notiert hatte. Auch der US-Dollar legte zu. Der russische Aktienmarkt gab etwas nach.

Diese Länder weisen russische Diplomaten aus

EU-Staaten:
Deutschland, Frankreich, Polen: 4
Litauen, Tschechien: je 3
Dänemark, Italien, Niederlande, Spanien: je 2
Estland, Finnland, Irland, Lettland, Kroatien, Schweden, Rumänien, Ungarn: je 1

Großbritannien hatte die Ausweisung von 23 Diplomaten angeordnet.

Staaten außerhalb der EU:
USA: 60
Kanada: 4
Ukraine: 13
Albanien, Australien: je 2
Georgien: 1
Norwegen: 1

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 26. März 2018 um 16:00 Uhr.