Schnellstraße Jingxin (Peking-Xinjiang) in Hami, Nordwestchinas autonomer Region Xinjiang Uygur.

"Neue Seidenstraße" Italiens umstrittener Pakt mit Peking

Stand: 26.03.2019 16:17 Uhr

Mit der "neuen Seidenstraße" will sich China stärker an Europa binden. Das Projekt ist unter den wichtigsten Wirtschaftsnationen aber umstritten. Als erstes G7-Land will sich Italien beteiligen.

Von der Decke hängt ein Leuchter mit Lüstern, hinter dem geschwungenen Glasschreibtisch ein Ölgemälde mit historischem Küstenmotiv, und draußen rauscht der Verkehr auf der Via Veneto. Hier im Arbeitszimmer von Michele Geraci im vierten Stock des Wirtschaftsministeriums ist das erdacht und ausgearbeitet worden, was die Partner Italiens in helle Aufregung versetzt: die geplante italienisch-chinesische Absichtserklärung, mit der sich Rom der sogenannten Seidenstraßen-Initiative Pekings anschließt.

Geraci nimmt die Bedenken unter anderem aus Berlin, Paris und London mit einem Lächeln zur Kenntnis. Die anderen befreundeten europäischen Staaten hätten überhaupt keinen Grund zu befürchten, dass Italien ein Einfallstor für China sein könne, das dann genutzt werde, um auch in die anderen europäischen Staaten einzudringen, erklärt Geraci.

Abhängigkeiten von China?

Trotz der Beruhigungsversuche aus Rom sehen die europäischen Partner, aber auch Washington die Gefahr, dass China im Rahmen der Seidenstraßen-Initiative wirtschaftliche Abhängigkeiten schafft, die Peking dann auch politisch nützen. Italien, als bislang einziger Staat der G7, der Gruppe der wichtigsten Wirtschaftsnationen der Welt, ist nun bereit, China die Hand zu reichen bei dessen zentralem, weltweit angelegten Infrastrukturprojekt.

Geraci fädelte den Deal ein

Eingefädelt hat diesen spektakulären Deal Geraci. Zehn Jahre lang war er als Investmentbanker in China tätig, schon damals warb er für wirtschaftliche Kooperation mit China. Vor einem Jahr ist der mit Lega-Führer Matteo Salvini befreundete Geraci nach Italien zurückgekehrt und wurde von der neuen populistischen Koalition in Rom gleich auf den Stuhl des Staatssekretärs im Wirtschaftsministerium gespült. Seitdem verfolgt der fließend Mandarin sprechende und in Peking exzellent vernetzte Geraci ein klares Ziel: "Ich bin zurückgekehrt, beseelt von der Idee, dass Italien seinen Platz zurückerobert als wirtschaftlich bedeutendes Land. Nicht nur der Form nach, sondern in der Substanz."

Michele Geraci

Michele Geraci hat den Deal mit China eingefädelt.

Italiens neue wirtschaftliche Kraft, so Geracis Plan, soll maßgeblich aus der Kooperation mit China kommen. Es ist ein Plan, den Wirtschaftsprofi Geraci in einer Regierung, die mit vielen politischen Neulingen besetzt ist, in den vergangenen Monaten konsequent durchgesetzt hat. Trotz der auch in Italien vorhandenen Bedenken.

"Wollt ihr jemand Fremden, der euch alles wegkauft?"

Der italienische EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani von der Berlusconi-Partei Forza Italia beispielsweise sieht die Gefahr, dass Italien China die Tür öffnet und dann von der gigantischen Wirtschaftsmacht schnell dominiert wird: "Wolltet ihr jemand Fremden im Haus haben, der euch alles wegkauft? Küche, Schlafzimmer, Möbel? Dann seid ihr sehr schnell Gäste im eigenen Haus. Ich finde das nicht richtig. Vor allem weil ich nicht dasselbe machen kann, wenn ich nach China gehe."

Die Angst, dass mit dem geplanten Abkommen chinesische Unternehmen Häfen, wichtige Betriebe und vielleicht sogar die Telekommunikation in Italien aufkaufen, ist laut Geraci abwegig. Zum einen handele es sich beim Abkommen um eine Absichtserklärung, die Italien zu nichts verpflichte und China keine Rechte gebe. Zum anderen werde die Regierung in Rom ihr bestehendes Widerspruchsrecht bei allen strategisch wichtigen Investitionen beibehalten.

Mehr Exportschancen für Italien

Aber, sagt Geraci, natürlich hoffe Italien durch das Abkommen auf mehr wirtschaftliches Engagement aus China und umgekehrt auf mehr Exportchancen für italienische Unternehmen. Deutschland exportiere derzeit siebenmal mehr nach China als Italien, die kleine Schweiz immer noch doppelt so viel. "Mit dem jetzigen 'Memorandum of understanding' versuchen wir, verlorene Zeit aufzuholen. Die Deutschen haben das in den vergangenen zehn, 15 Jahren sehr gut gemacht. Wir aber haben nicht mehr zehn Jahre Zeit. Was wir jetzt machen, ist ein Hilfsmittel zur Beschleunigung."

Ein Beschleunigungsprogramm made by Geraci. Chinas Präsident Xi wird nach der Unterzeichnung des Abkommens - und das ist durchaus ungewöhnlich - noch einen Abstecher nach Palermo machen. Eine kleine Geste der Freundschaft. Denn dort ist Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella zu Hause und der "Vater des Abkommens" auf italienischer Seite, Geraci.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 21. März 2019 um 09:23 Uhr und 11:19 Uhr.