Martin Schulz

EVP-Kandidaten-Wahl Gesucht: Ein neuer Martin Schulz

Stand: 13.12.2016 11:54 Uhr

Wer ersetzt Martin Schulz als Chef des EU-Parlaments? Heute wählt die größte Fraktion, die Christdemokraten, ihren Kandidaten.

Von Sebastian Schöbel, ARD-Studio Brüssel

Am späten Abend in den Tiefen des Straßburger Europaparlaments kommen sie zusammen: Europas Christdemokraten, inklusive der EU-Parlamentarier von CDU und CSU. Sie wollen entscheiden, wer der neue Martin Schulz werden soll. Der Vorwahlkampf tobt seit Wochen, meist aber hinter verschlossenen Türen, in Einzelgesprächen und mit per E-Mail verschickten Bewerbungsschreiben.

Vier Kandidaten sind im Rennen

Nummer 1: Alojz Peterle. Der Idealist. Sloweniens erster frei gewählter Premierminister, der das osteuropäische Land in den 1990er Jahren in die Unabhängigkeit führte. Eine Erfahrung, die der 68-Jährige Peterle zum Motto seines Wahlkampfes macht. In emotionalen Onlinebotschaften auf seiner Internetseite schreibt er zum Beispiel: "Ich habe Europa geteilt erlebt - und will das nie wieder tun. Wir müssen eine erneute Phase der Zerstörung in Europa verhindern. Deswegen müssen wir alles tun, damit das EU-Projekt überlebt."

Als Parlamentspräsident will Peterle vor allem den Dialog mit den nationalen Parlamenten, also auch dem Bundestag, stärken. Zudem sollen EU-Kommissare vom EU-Parlament gewählt werden, nicht von den Mitgliedsstaaten entsandt. Peterles Chancen stehen nicht schlecht, zumal er sechs Sprachen spricht. Darunter Deutsch, was ihm mit den deutschen Unionsabgeordneten helfen könnte.

Alojz Peterle

Alojz Peterle: Dialog mit nationalen Parlamenten

Nummer 2 auf der Liste: Alain Lamassoure. Das Urgestein. Mit 72 Jahren ist der Franzose der älteste Kandidat im Rennen. Er war Bürgermeister, französischer Abgeordneter und Regierungsminister und ist seit 1999 EU-Parlamentarier. Lamassoure war beim Verfassungskonvent der EU im Jahr 2000 dabei und hat an den Lissaboner Verträgen mitgearbeitet. Jetzt präsentiert er sich als Anti-Schulz: Kein parteiischer Lautsprecher will er sein, sondern ein vermittelnder, überparteilicher Präsident. Allerdings auch einer, der eine Runderneuerung der EU vorantreibt.

Alain Lamassoure

Alain Lamassoure: Vermittelnd und überparteilich will er sein

So ähnlich verspricht es auch Kandidat Nummer drei: Antonio Tajani aus Italien. Der krasse Außenseiter. Tajani, ehemaliger Luftwaffenoffizier und Journalist, kommt von der Partei "Forza Italia" und gilt als Berlusconi-Intimus - was in Brüssel eher als Problem gesehen wird. Genauso wie seine sieben Jahre als EU-Kommissar. Dabei war er unter anderem zuständig für die Autoindustrie, was ihm nach dem Dieselgate-Skandal eine unangenehme Befragung im Untersuchungsausschuss des EU-Parlaments einbrachte. Seitdem gilt Tajanis Image als beschädigt.

Antonio Tajani

Antonio Tajani: Gilt als Berlusconi-Vertrauter

Bleibt noch Nummer vier: Die Irin Mairead McGuiness. Das frische Gesicht. Eloquent und medienaffin präsentiert sich die 57-jährige Agrarökonomin. Seit zehn Jahren sitzt sie im EU-Parlament, vorher hat sie unter anderem als TV-Journalistin gearbeitet. Erfahrungen, die sie zum Beispiel nutzt, um mit jungen Wählern über das Internetphänomen der "Falschnachrichten" ins Gespräch zu kommen. Als Irin vertritt sie zudem das vom Brexit-Votum am stärksten betroffene EU-Mitglied - nach Großbritannien natürlich.

Die Fine Gael-Politikerin gilt zudem - anders als Tajani oder Lamassoure - über Parteigrenzen hinweg als wählbar. Vor allem die Grünen zeigten sich ihrer Kandidatur gegenüber zuletzt sehr offen. Sie wäre erst die dritte Frau an der Spitze des Europaparlaments - auch das ein möglicherweise entscheidender Faktor. Denn am Ende wird auch der Kandidat oder die Kandidatin der größten Fraktion im EU-Parlament auf die Stimmen der anderen Fraktionen angewiesen sein.

Mairead McGuinness

Mairead McGuinness: Das frische Gesicht. Hat sie die Nase vorn?

Sebastian Schöbel, S. Schöbel, ARD Brüssel, zzt. Straßburg, 13.12.2016 09:32 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 13. Dezember 2016 um 5:54 Uhr