Curt Engelhorn (links) und Ehefrau Heidemarie mit Siegfried Fischbacher (Archivbild 2009)

Neues zum alten Fall Die Trust-Konstrukte der Familie Engelhorn

Stand: 05.11.2017 19:32 Uhr

Töchter der Unternehmerfamilie Engelhorn standen im Verdacht, 440 Millionen Euro an Steuern hinterzogen zu haben. Die "Paradise Papers" offenbaren Trustkonstruktionen, bei denen auch die Engelhorn-Töchter begünstigt sind.

Von Brid Roesner, NDR

Es ist ein klobiger, grauer Klotz unweit der Altstadt von Augsburg. Im Erdgeschoss schmücken gehäkelte, weiße Gardinen die Fenster der Außenstelle des Finanzamtes. Es wirkt beschaulich, fast harmlos. Dabei sind Steuerfahnder hinter diesen Gardinen einem der wohl größten Fälle von Steuerhinterziehung auf die Spur gekommen - der sich nun in den "Paradise Papers" wiederfindet.

Im Oktober 2013 erwirkten sie Haftbefehle gegen Carolin und Elisabeth Engelhorn. Der Verdacht: Beide Frauen sollen Steuern in Höhe von 440 Millionen Euro hinterzogen haben. Am Ende gab sich der Freistaat Bayern mit einer Nachzahlung in Höhe von rund 145 Millionen Euro zufrieden. Dafür sind beide Frauen straffrei ausgegangen. Sie zogen nach neun Tagen Untersuchungshaft in die Schweiz und legten bald darauf die deutsche Staatsbürgerschaft ab. Was war passiert?

Konzernverkauf steuerfrei

Beide Engelhorn-Töchter tauchten das erste Mal im Zusammenhang mit einer Steuer-CD 2012 auf. Nordrhein-Westfalen hatte die CD angekauft, übergab den Fall nach Augsburg. Dort stieß man bald auf auffallend niedrige Steuererklärungen und Immobilienschenkungen. Die Fahnder entdeckten ein internationales System aus Trusts und Briefkastenfirmen, über das Mitglieder der Familie Engelhorn Geld hin und her transferierten.

Curt Engelhorn machte schon 1997 von sich reden. Der ehemalige Konzernchef und Hauptanteilseigner des Pharmaunternehmens Boehringer Mannheim verkaufte den Konzern für 19 Milliarden DM an den Schweizer Konkurrenten Hoffmann-La Roche. Doch weil Engelhorn den Sitz des Mutterkonzerns bereits in den 80er-Jahren in das Steuerparadies Bermuda verlegt hatte und dazu Wohnsitze im Ausland vorweisen konnte, ging der deutsche Staat bei diesem Verkauf leer aus. In einem Interview freute sich Engelhorn über diesen legalen Steuertrick: "Herr Waigel wird sich ärgern!"

Curt Engelhorn (links) und Ehefrau Heidemarie mit Siegfried Fischbacher (Archivbild 2009)

Curt Engelhorn (links) und Ehefrau Heidemarie mit Siegfried Fischbacher (Archivbild 2009)

Ermittler stießen auf unwillige Staaten

Rund acht Milliarden Mark sollen Curt Engelhorn persönlich aus dem Verkauf geblieben sein. Auch dieses Geld floss in Steueroasen nach Übersee. Der Milliardär, der mittlerweile verstorben ist, hatte sich frühzeitig für eine ganz besondere Form der Vermögensverwaltung entschieden: den Trust. Bei einem Trust überträgt der Gründer sein Geld und lässt es durch einen Treuhänder verwalten. Nach außen hin besitzt er es nun nicht mehr, bleibt anonym. Irgendwann fließt das Geld an vorher benannte Begünstigte. Auch sie bleiben nach außen hin unsichtbar. Die "Paradise Papers" zeigen nun, auch die Kanzlei Appleby hat seit Mitte der 1990er-Jahre bei der Verwaltung des Trustvermögens geholfen.

Die Steuerfahnder aus Augsburg gingen 2013 davon aus, dass auch die beiden jüngsten Töchter von Curt Engelhorn Begünstigte seiner Trustkonstruktionen waren. Doch gegen das Knäuel von Trusts und Firmen, verteilt über verschiedene Länder hatten sie keine Chance. Jemand, der mit dem Verfahren gegen die Engelhorns befasst war, sagt: "Es können zehn, aber auch 100 Trusts sein." Darüber hinaus habe sich die "Auskunftsfreude" von Ländern wie der Schweiz oder Monaco in Grenzen gehalten.

Engelhorn-Töchter setzten sich in die Schweiz ab

Dennoch reichte es für Haftbefehle: Neun Tage saßen die Engelhorn-Töchter in U-Haft. Dann ordnete der leitende Oberstaatsanwalt überraschend die Freilassung der Verdächtigen an. Auf Nachfrage sagte die Staatsanwaltschaft Augsburg, dass der dringende Tatverdacht nachträglich entfallen sei. Beide Engelhorn-Töchter setzten sich umgehend in die Schweiz ab, ließen ihr Gepäck offenbar nachschicken.

2015 kam es zwischen Verteidigern und Finanzverwaltung zu einer tatsächlichen Verständigung. Grundlage bildeten jene Trustkonstruktionen, die die Ermittler mit Hilfe beschlagnahmter Unterlagen nachvollziehen konnten. Übrig blieb eine beweisbare Steuerschuld von nur noch 145 Millionen Euro plus ein Bußgeld von jeweils 2,16 Millionen Euro.

Der Trust

Die Trustkonstruktion ist ein Relikt aus dem Mittelalter. Bereits englische Fürsten benutzten den Trust zur Verwaltung ihrer Güter, wenn sie in den Kreuzzug ritten. Im Falle des Todes gab der Verwalter den Besitz an vorher benannte Begünstigte weiter. Der Trust funktioniert wie eine Stiftung, nur ohne Gemeinnützigkeit. Der Gründer parkt sein Geld in einem Trust. Offiziell ist er nun nicht mehr im Besitz des Geldes. Das Geld wird von einem Treuhänder verwaltet, dieser tritt nach außen in Erscheinung. Irgendwann fließt das Geld an die vorher bestimmten Begünstigten; auch sie sind nach außen hin unsichtbar. Für Ermittler ist es so gut wie unmöglich nachzuvollziehen, wer Gründer und Begünstigte eines Trusts sind.

Neue Konstruktionen in den "Paradise Papers"

Die "Paradise Papers", die der "Süddeutschen Zeitung" zugespielt und gemeinsam mit dem NDR und anderen Medienpartnern ausgewertet wurden, stützen nun den Anfangsverdacht der Ermittler. Viele der Trusts und Briefkastenfirmen, die sich in den Daten finden, seien unbekannt gewesen, sagt jemand, der mit dem Verfahren gegen die Engelhorns vertraut war. So sind Carolin und Elisabeth Engelhorn Begünstigte der "Angel Foundation" - laut früheren Aussagen von Curt Engelhorn eine Stiftung, die angeblich ausschließlich für karitative Zwecke genutzt wird. Die Angel Foundation - und somit auch die beiden Töchter - sind wiederum Begünstigte des "Bellavista Trust" und der ist Teil einer ganzen Offshore-Konstruktion mit Sitz auf den Cayman Islands. Inwiefern dies strafrechtlich relevant sein könnte, ist nicht klar. Keine der beiden Engelhorn-Töchter wollte sich gegenüber der Redaktion äußern.

Möglicherweise haben die Ermittler mit ihrer Schätzung der Steuerschuld nicht so falsch gelegen. Dabei ist es für Gerhard Wipijewski, Vorsitzender der Bayerischen Finanzgewerkschaft, nicht ausgeschlossen, dass es noch einmal neue Ermittlungen geben könnte: "Das wäre dann möglich, wenn wir einen relevanten Fortgang erfahren."