Journalisten von Bellingcat geben eine Pressekonferenz zum Abschuss von Flug MH17

MH17-Abschuss Russischer Offizier verantwortlich?

Stand: 25.05.2018 15:35 Uhr

Die niederländische Regierung macht Russland für den MH17-Abschuss in der Ostukraine verantwortlich. Ein Team von Investigativjournalisten nennt bereits Namen.

Von Ludger Kazmierczak, Den Haag

In den Dokumenten des internationalen Ermittlerteams taucht er als "Orion" auf. Das Recherchenetzwerk Bellingcat will nun herausbekommen haben, wer sich hinter diesem Decknamen verbirgt.

Bei dem Gesuchten handele es sich um einen 51-jährigen Russen, der bis 2017 für das russische Außenministerium tätig gewesen sei, sagte Bellingcat-Journalist Moritz Rakuszitzky. Im Auftrag des Militärgeheimdienstes seines Landes sei er 2014 in den Osten der Ukraine geschickt worden, um die prorussischen Separatisten im Kampf gegen die ukrainische Armee zu unterstützen.

Niederlande will Russland für Abschuss der MH17 haftbar machen

Bettina Scharkus, ARD Brüssel, tagesschau 17:00 Uhr

Raketentransport in die Ukraine

"Wir haben diese Person außerdem als höchstrangigen Militäroffizier zu jener Zeit in der sogenannten Volksrepublik Lugansk identifizieren können", so der Journalist. "Aus den öffentlich zugänglichen Quellen und den aufgezeichneten Funkkontakten geht hervor, dass er direkt am Transport des BUK-Raketensystems in die Ukraine und zurück nach Russland beteiligt war."

Bereits am Donnerstag hatte das internationale Ermittlerteam einen Bericht vorgelegt, der frühere Vermutungen bestätigte. Demnach hat ein Konvoi der russischen Armee das BUK-Raketensystem in die Ukraine transportiert. Mit dieser Waffe sei die malaysische Passagiermaschine im Juli 2014 abgeschossen worden. Angehörige der Opfer hatten daraufhin politische Konsequenzen seitens der Den Haager Regierung gefordert.

Niederlande beschuldigen Russland

Das niederländische Kabinett traf sich am Morgen zu einer Sondersitzung und ließ Außenminister Stef Blok danach mitteilen: "Die Niederlande machen Russland verantwortlich für den Abschuss des Flugs MH17. Dies tun wir gemeinsam mit Australien. Unsere Regierungen haben Russland soeben über diplomatische Kanäle darüber informiert. Ich habe gerade noch mit meinem russischen Kollegen Lawrow gesprochen."

Mit dieser Entscheidungen wollen die beiden Länder Russland zur Mitarbeit an den Ermittlungen und zur strafrechtlichen Verfolgung von Tatverdächtigen zwingen. Auch juristische Schritte, also eine Klage gegen das Land oder russische Staatsbürger sei denkbar, so Blok: "Das ist die ganze Palette - die reicht von vollständiger Zusammenarbeit mit den Ermittlern über das Zurverfügungstellen von Personen und Informationen bis hin zu einer Geste der Genugtuung gegenüber den Opfern.

Auch die USA forderten Russland inzwischen auf, Verantwortung für den Abschuss zu übernehmen. Es sei Zeit, dass Russland seine Rolle bei dem Vorfall anerkenne und aufhöre, gefälschte Nachrichten zu verbreiten, erklärte das US-Außenministerium.

Das Flugabwehrraketensystem Buk

Das Flugabwehrsystem Buk ("Buche") wurde in der Sowjetunion 1979 eingeführt. In unterschiedlichen Varianten befindet es sich in den Nachfolgestaaten bis heute im Einsatz.
Die für den Abschuss der malaysischen Boeing MH17 infrage kommende Modifikation M1 zerstört Ziele in einer Höhe von bis zu 22 Kilometern. Die Raketen explodieren in mehreren Metern Entfernung vor dem anvisierten Ziel. Die dabei entstehenden Splitter durchlöchern die Außenhaut des Flugzeugs, was zum Absturz führt.
Die ukrainische Armee hatte dem Londoner Internationalen Institut für Strategische Studien zufolge 2014 mehr als 60 Systeme des Typs Buk-M1 im Bestand. Russland verfügt über etwa 350 Systeme unterschiedlicher Modifikationen. Auch die prorussischen Rebellen in der Ostukraine sollen Buk-Raketen besitzen oder besessen haben.

Russland weist Vorwürfe zurück

Moskau bleibt dabei, in den Fall MH17 nicht verwickelt zu sein. Kremlsprecher Dmitri Peskow kritisierte zum wiederholten Mal, dass Russland an den Untersuchungen nicht beteiligt worden sei. Daher wisse man nicht, so Peskow, wie sehr man den Ergebnissen vertrauen könne.

Unterdessen haben 270 Hinterbliebene der Opfer angekündigt, vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof eine Schadensersatzklage gegen Russland einzureichen.

Ludger Kazmierczak, Ludger Kazmierczak, ARD Den Haag, 25.05.2018 14:33 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 25. Mai 2018 um 17:00 Uhr.