Fahrplan für die EU Wohin geht die Reise?

Stand: 29.12.2006 12:01 Uhr

Schon mit vier Bewohnern kann es in einer WG tumultartig zugehen. Im großen Haus namens EU wohnen ab 2007 ganze 27 Mitglieder. Das reicht, meinen viele. Wir müssen jetzt erst unser Haus in Ordnung bringen, sagt EU-Kommissionspräsident Barroso - ein Hinweis auf das schwierige Projekt einer EU-Verfasung. Die Tür aber bleibe offen. Wo also geht die Reise hin?

Von Michael Becker, MDR-Hörfunkkorrespondent Brüssel

Es wird langsam eng am großen Tisch der EU-Kommission in Brüssel: 27 Kommissare sitzen in der Runde - aus jedem Land einer oder eine. Da wird es schon mal unübersichtlich, das geben sogar Insider zu: "Bei dem ein oder anderen muss ich manchmal lange nachdenken bis mir einfällt, wofür er eigentlich zuständig ist", räumt eine Kommissionssprecherin ein.

Dass es so nicht weiter gehen kann, ist klar. Mit Bulgarien und Rumänien ist das Boot nun erst einmal voll. Bis neue Mitglieder aufgenommen werden können, muss die EU sich erst einmal selbst reformieren. "Wir wollen unser Haus in Ordnung bringen, aber es bleibt ein offenes Haus", sagt José Manuel Barroso, der Präsident der EU-Kommission in Brüssel.

Das "EU-Haus" ist weiter in Unordnung

Das Haus sollte eigentlich mit der EU-Verfassung in Ordnung gebracht werden, doch die liegt seit anderthalb Jahren in der Schublade. Franzosen und Niederländer hatten sie in Volksabstimmungen abgelehnt. Damit waren die Reform der EU fürs Erste gescheitert.

Bis zur nächsten Europawahl - also Mitte 2009 - will die EU das Problem lösen. Bis dahin soll geklärt sein, wie die Europäische Union sich neu organisieren will. Vorher wird es keine Erweiterung mehr geben, denn die EU ist nicht in der Lage, neue Mitglieder zu verkraften - darauf haben sich die Staats- und Regierungschefs der EU Mitte Dezember in Brüssel geeinigt.

Von Erweiterungsmüdigkeit könne aber keine Rede sein, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Es gibt eine große Einigkeit, dass es eine europäische Perspektive für die Staaten des westlichen Balkan gibt, weil das auch in unserem ureigensten Interesse liegt." Seit Jahren haben EU und Nato auf dem Balkan zehntausende Soldaten stationiert, damit der Frieden hält - und das kostet viel Geld. Bosnien-Herzegowina, Albanien, Mazedonien, Montenegro und sogar Serbien, vor allem aber Kroatien - sie alle haben eine EU-Perspektive, das heißt, die Fahrkarte nach Brüssel schon mehr oder weniger in der Tasche.

Dauerthema Türkei

Ganz anders liegen die Dinge beim Thema Türkei, dem größten Kandidaten überhaupt. Die Meinungen zu einem Beitritt des Landes gehen in der EU sehr weit auseinander. Immer wieder heißt es, dass völlig offen sei, wie die Verhandlungen ausgehen. "Es ist wichtig, dass die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei weiter gehen, dass wir die Tür nicht zu schlagen", mahnt der britische Premierminister Tony Blair, einer der größten Türkei-Befürworter. Deutschland und Frankreich dagegen bremsen.

Allerdings nicht nur beim Thema Türkei. Angela Merkel warnt grundsätzlich davor, den Bogen zu überspannen und über den Balkan hinaus noch weitere Zusagen zu machen. "Es geht um den Bereich der Ukraine, die Schwarzmeer-Region und andere Regionen", sagt sie. "Deshalb brauchen wir eine attraktive und dauerhafte Nachbarschaftspolitik, mit der wir die Länder an die EU heranführen, die selber nicht Mitglied werden können".

Wohin die Reise geht ist in vielerlei Hinsicht völlig offen. Niemand weiß, wie die Welt in zehn Jahren aussieht, und wer dann auf den maßgeblichen Positionen sitzt. Sicher ist für den Moment nur eins: Nach dem Beitritt von Bulgarien und Rumänien wird die EU sich erst einmal mit sich selbst beschäftigen. Bis die Kroaten vor der Tür stehen, wird es mindestens 2010 werden.