Vorbereitungen zu den Beitrittsfeiern in Bulgarien Hohe Erwartungen, aber keine rechte Euphorie

Stand: 31.12.2006 18:26 Uhr

Das Todesurteil gegen bulgarische Krankenschwestern in Libyen überschattet die EU-Beitrittsfeiern in Sofia. Viele Bulgaren tragen Schleifen in den Landesfarben, um an das Schicksal der fünf Frauen zu erinnern.

Von Andrea Mühlberger, ARD-Hörfunkstudio Südosteuropa

Soundcheck vor der großen Beitritts-Party auf dem Batenbergplatz in Sofia. Vor dem Nationaltheater werden mehrere Bühnen aufgebaut. Das frühere Gebäude des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei gegenüber hat einen Kranz aus bunten Scheinwerfern aufgesetzt bekommen. Zum Beitritt könne er gar nichts sagen, meint einer der Bühnentechniker völlig erledigt. "Wir schuften hier seit 24 Stunden, ununterbrochen." "Für eine grandiose Feier", meint sein Kollege.

Urteil gegen Krankenschwestern überschattet Feiern

Doch eine Sache trübt für ihn und für viele Bulgaren die Stimmung: An seinem Revers heftet eine Schleife in den Landesfarben Rot-Weiß-Grün, darauf der Satz: "Ihr seid nicht allein". Der junge Mann erklärt dazu: "Viele Bulgaren tragen seit heute morgen diese Schleifen, wir wollen damit unseren Protest ausdrücken. Es geht um das Todesurteil gegen die bulgarischen Krankenschwestern in Libyen, das vor ein paar Tagen bekräftigt wurde. Auch in der Silvesternacht, während der Feiern, sollen wir die Schleifen tragen, aus Solidarität mit den Frauen."

"Ich bin sicher, dass die Krankenschwestern unschuldig sind. Aber Gaddafi will einen möglichst hohen Preis für sie raushandeln. Es geht nicht nur gegen Bulgarien, es ist halt gegen die EU, gegen die zivilisierte Welt." Man hat fast den Eindruck, dass das Schicksal der Krankenschwestern die Bulgaren in diesen Tagen mehr beschäftigt als der EU-Beitritt. Natürlich sind die Zeitungen voll mit Serien zu allen möglichen Themen. Aber eine richtige Beitrittseuphorie will irgendwie nicht aufkommen. "Das merkt man noch nicht, aber ich bin sicher, dass schon alle ungeduldig sind", meint ein junger Mann.

"Für mich ist es echt ein großes Ereignis"

Ungeduldig, endlich in die EU aufgenommen zu werden. Für einige wird dann vieles leichter: "Ich studiere in Deutschland und ich komme hier nur für die Ferien her", meint eine Studentin. "Aber für mich ist es echt ein großes Ereignis, denn für uns wird sich die Situation ändern, bezüglich der Visa, aber auch der Einstellung der Leute." Aber sie hat auch Bedenken: "Ich hoffe nicht, dass es irgendwann dazu kommt, dass die Leute es als Fehler einschätzen, dass Bulgarien und Rumänien so schnell in die EU aufgenommen wurden."

"Bulgarien ist sehr deutsch geprägt"

Aber die EU hat vorgesorgt: Es ist beim viel zitierten Beitritt zweiter Klasse geblieben - ein Beitritt mit Auflagen und Konsequenzen. So dürfen etwa beide Länder aus hygienischen Gründen kein Schweinefleisch in andere EU-Länder exportieren. Bulgarische Fluglinien erfüllen nicht die Sicherheitsstandards der EU und müssen bei allen Ländern um eine eigene Landeerlaubnis ansuchen. Und weil bulgarische Richter anscheinend noch immer leicht bestochen werden können, gelten ihre Urteil EU-weit noch recht wenig. Ein junger Mann, der bei einer deutschen Firma Karriere gemacht hat, findet das ein bisschen ungerecht, sieht die Sache aber pragmatisch: "Wir stehen den Ländern, die in der EU sind, in nichts nach. Ich glaube auch, die Bedenken werden schnell weg sein." Und er setzt dabei vor allem auf das gute deutsch-bulgarische Verhältnis und Ähnlichkeiten im Charakter der Länder. "Bulgarien ist sehr deutsch geprägt. Wir sind zuverlässig, würde ich sagen, wir lernen schnell – alles, was die Deutschen ausmacht, haben wir auch."

Sein Freund versucht, all die Deutschen zu beruhigen, die jetzt einen Exodus der Bulgaren befürchten: "Ich denke, dass alle, die weg wollten, schon weg sind. Die, die jetzt noch hier sind, die bleiben und es kommen auch viele zurück." Im Gegensatz zu vielen Deutschen hat der junge Bulgare auch noch eine Vision von der EU: "Wir müssen diesen ganzen Prozess alle gemeinsam durchstehen. Nur ein starkes und großes Europa kann - so wie die Welt jetzt neu aufgebaut ist - bestehen. Und ich denke, das ist ein guter Grund, damit alle hier am gleichen Strang ziehen."