Reportage aus Fukushima I Eindrücke aus dem Zentrum des Super-GAU

Stand: 28.02.2012 13:06 Uhr

Infolge des Erdbebens und des Tsunamis ereignete sich in Japan eine der größten atomaren Katastrophen der Menschheit: der Super-GAU im Kernkraftwerk Fukushima. Ein Jahr danach hat der Betreiber Tepco Journalisten zu einer Besichtigung des Geländes eingeladen. Auch der ARD-Hörfunk war mit dabei.

Von Peter Kujath, ARD-Hörfunkstudio Tokio, zurzeit in Fukushima

Es ist beinahe ein Jahr her, dass der Tsunami im Atomkraftwerk Fukushima 1 die Stromversorgungen kappte, den Kühlkreislauf außer Kraft setzte und damit eine Kernschmelze in den Blöcken 1 bis 3 auslöste.

In unmittelbarer Nähe von Block 3 ist die Strahlung mit 1500 Mikrosievert pro Stunde am höchsten. Der Bus fährt zügig daran vorbei. Es ist das erste Mal, dass eine ausländische Journalisten-Gruppe das verstrahlte Gelände besuchen darf.

Peter Kujath, P. Kujath, ARD Tokio zzt. Fukushima, 28.02.2012 12:52 Uhr

Kurz zuvor wurden wir im J-Village, dem Basislager für die Arbeiter von Toshiba, Hitachi und Tepco, einer Ganzkörper-Strahlungsmessung unterzogen. Auf Nachfrage heißt es, dass die regulären Mitarbeiter diesen Check alle drei Monate durchlaufen.

Es sieht noch immer nach Aufbruch aus

Ausgestattet mit einem Schutzanzug, Handschuhen, Plastiküberschuhen, einer Atemmaske und einem Dosimeter geht es mit dem Bus durch die 20-Kilometer-Sperrzone zum AKW. In den Orten auf dem Weg dorthin sieht es auch nach einem Jahr so aus, als wären die Bewohner erst vor kurzem aufgebrochen. Nur die Farben sind verblichen. In den kleinen Gaststätten kann man durch die Fenster die Soja-Sauce neben den Stäbchen auf den Tischen sehen.

Kurz vor der Anlage steigt die Strahlung auf 35 Microsievert an. Die Fahrt führt uns an vielen Tanks mit kontaminiertem Wasser vorbei. 125.000 Tonnen sind hier untergebracht. 40 weitere Tanks mit einer Kapazität von jeweils 1000 Tonnen sollen in nächster Zeit errichtet werden. An den Anlagen für die Wiederaufbereitung des verstrahlten Wassers arbeitet der Großteil der über 3000 Beschäftigten.

Kein normaler Einsatz für die Arbeiter

Innerhalb des Erdbeben sicheren Notfall-Lagezentrums auf einer kleinen Anhöhe vor den Reaktorblöcken ist die radioaktive Belastung niedrig. Hier können die Menschen ihre Schutzkleidung ablegen. Die Atmosphäre hat nicht mehr viel mit der früheren Krisenstimmung gemein, dennoch sieht man den Gesichtern der jungen wie alten Arbeiter an, dass dies kein normaler Einsatz ist.

Besonders viel Kraft kostet es, die von den Explosionen übriggebliebenen, radioaktiven Trümmer aufzuräumen. Davon können wir auf unserer Tour noch immer eine Menge sehen.

An einer Stelle hält der Bus, lassen uns die mitfahrenden Betreuer von Tepco aussteigen. Da die Kommunikation wegen der Atemmasken eingeschränkt ist, hält einer ein Schild hoch, dass man auf keinen Fall etwas anfassen dürfe.

Belastung: 60 Mikrosievert pro Stunde

Die Messung draußen ergibt eine radioaktive Belastung von 60 Microsievert pro Stunde. Man hat einen guten Blick auf den Reaktorblock 1, der mittlerweile von einer Plastikhülle umgeben ist, auf das äußerlich kaum zerstörte Gebäude des Blocks 2 sowie die freiliegenden Stahlträger des durch die Wasserstoff-Explosionen stark in Mitleidenschaft gezogenen Blocks Nummer 3.

Hier ist die radioaktive Belastung am höchsten. Die Menschen können - wenn überhaupt - nur einige Minuten ihrer Arbeit nachgehen. Auf den freiliegenden Eisenträgern von Block 4 kann man hingegen relativ viele weiße Schutzanzüge erkennen. Da der Reaktor Nummer 4 zur Zeit des Erdbebens am 11. März nicht in Betrieb war, geht es hier vor allem darum, die Abklingbecken mit den gebrauchten Brennstäben zu stabilisieren.

Besserung? - Die Bilder sprechen eine andere Sprache

Am Ende der geführten Tour durch die Ruine des havarierten AKW Fukushima 1 dürfen wir noch mit einigen ausgewählten Arbeitern sprechen. Ihre Äußerungen sollen vermitteln, dass nach einem Jahr jetzt alles auf dem Weg der Besserung ist. Aber die Bilder der zerstörten Anlage, die vielen Provisorien, die noch Jahre oder Jahrzehnte halten müssen, sprechen eine andere Sprache.