Wohnschiff "Bibby Stockholm" im Hafen von Portland

Großbritannien Flüchtlingspolitik ohne Plan?

Stand: 14.08.2023 14:06 Uhr

Die Zustände auf einem Wohnschiff für Flüchtlinge und der Tod mehrerer Menschen im Ärmelkanal bringen die britische Regierung in Erklärungsnot. Doch an ihrem Kurs in der Migrationspolitik hält sie unbeirrt fest.

Zahlreiche Zeitungen berichten seit gestern umfassend über das Bootsunglück im Ärmelkanal. "Wie viele müssen noch sterben, bis die Tories das Problem in den Griff bekommen?", schrieb gestern der "Sunday Mirror".

Die "Mail on Sunday", in deren Kommentaren die Autoren oft eine restriktive Einwanderungspolitik fordern, titelte: "Ist es die Schuld eines französischen Patrouillenbootes?" Und die "Times" analysiert in der heutigen Ausgabe im Detail, wie es zu dem Unglück kommen konnte.

Die Regierung teilte mit, es sei wichtig, das Geschäftsmodell der Menschenschmuggler zu durchbrechen und die Boote zu stoppen. Das verspricht die Regierung seit Monaten. "Die Regierung macht Fortschritte. Die Zahl derer, die über den Ärmelkanal gekommen sind, sind niedriger als 2022. Die französischen Behörden halten 40 Prozent mehr Boote auf", sagte Gesundheitsminister Steve Barclay.

Noch viele Flüchtlinge erwartet

Ob es wirklich so gut läuft, bezweifeln Experten. In diesem Jahr sind schon 16.600 Flüchtlinge übers Meer nach England gekommen, weniger als im gleichen Zeitraum 2022. Doch derzeit ist das Wetter für die Überfahrt günstig, gestern zum Beispiel landeten 509 Flüchtlinge an. In den kommenden Wochen werden noch viele Flüchtlinge erwartet.

In der Konservativen Partei gibt es auch deutlich kritischere Stimmen. Der Abgeordnete Tim Loughton, der im Innenausschuss des Parlaments sitzt, sagte im Times Radio, im Innenministerium zeige sich eine "Dysfunktionalität". Die Unfähigkeit in der Flüchtlingspolitik reiche Jahre zurück, beklagte Loughton. Es müsse eine umfassende Bestandsaufnahme geben.  

Die Meldungen vom Tod von sechs Menschen im Ärmelkanal kommen zusammen mit Berichten über den Befall eines Wohnschiffes mit Legionellen. In dem Kahn im Süden von England sollten 500 Flüchtlinge untergebracht werden. Doch die Regierung musste am Freitag eingestehen, dass in der Unterkunft gefährliche Bakterien gefunden wurden.

Regierung will Kosten reduzieren

Gesundheitsminister Barclay verteidigte die Unterbringung auf dem Wohnschiff grundsätzlich. "Die Kosten für die Unterbringung von Asylsuchenden müssen reduziert werden", sagte er in der BBC. Bislang bringt das Innenministerium zahlreiche Flüchtlinge in Hotels unter, die Kosten dafür liegen bei etwa sieben Millionen Euro pro Tag.

Doch mit dem Wohnschiff kann die Regierung das Problem längst nicht lösen. Denn insgesamt warten etwa 150.000 Personen darauf, dass ihr Asylantrag bearbeitet wird.

Der Labour-Politiker Peter Kyle wirft der Regierung vor, nur an Schlagzeilen zu denken, aber nicht die Probleme zu lösen. "Wir haben diese Probleme, weil die Regierung Schlagzeilen erzeugen möchte, aber nicht die Probleme löst." Die Opposition fordert, Asylanträge schneller abzuarbeiten, um den Rückstand aufzuholen.

 

Christoph Prössl, ARD London, tagesschau, 14.08.2023 12:19 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 14. August 2023 um 13:20 Uhr.