Armin Wolf steht im TV-Studio von "ZIB".
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Pressefreiheit Was Europas Rechtsruck für die Medien bedeutet

Stand: 27.01.2024 16:43 Uhr

Mit Polizeischutz zur Arbeit, Morddrohungen im Postfach: Wo rechte Parteien in Europa Erfolg haben, haben es Journalisten schwer. Die Rechtspopulisten betreiben ihre eigenen Medien - und lernen voneinander.

Von Olga Chládková, ARD Brüssel

Wenn TV-Moderator Zbigniew Luczynski sich auf die Hauptnachrichtensendung im polnischen Fernsehen vorbereitet, wird er derzeit schnell nervös. Denn seit einigen Wochen kann er nur noch mit Polizeischutz den Sender betreten. Auch seine Kolleginnen und Kollegen sind emotional angefasst. 

Seitdem in Polen ein Machtkampf um die staatlichen Medien entbrannt ist, leiden er und seine Kollegen unter Beleidigungen und Anfeindungen in den sozialen Netzwerken. "Da ist sehr viel Hass zu spüren", bedauert TV-Journalistin Blanka Dzuga - dabei wollen wir doch nur objektives Fernsehen machen.

Auswirkungen rechter Poltik auf die Medien

Olga Chládková, ARD Brüssel, 28.01.2024 12:45 Uhr

Morddrohungen gegen ORF-Moderator

TV-Moderatoren haben es derzeit nicht einfach in Europa. Auch Österreichs Star-Moderator Armin Wolf vom öffentlich-rechtlichen Sender ORF erhält wieder Morddrohungen, berichtet er. Immer häufiger versuchen radikale Parteien ihre Kritiker zu verleumden - und das nicht nur in sozialen Netzwerken.

Eine sehr besorgniserregende Situation, die Tom Gibson vom Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) in mehreren europäischen Ländern beobachtet. "Wir sehen eine feindselige Rhetorik, die Angriffe auf Journalisten legitimiert, und das nicht nur bei Protesten. Wir sehen dies auch in der Sprache populistischer Politiker", sagt er. "Das schafft eine Situation, in der kritischer Journalismus kaum noch einen sicheren Platz in unseren Gesellschaften hat. Und das ist ein echtes Problem." 

"Partei-PR soll Journalismus ersetzen"

Derzeit macht Gibson die Situation in Österreich Sorgen. Dort feiert die rechtsextreme FPÖ mit 26 Prozent ein Umfragehoch. Ihre Wahlversprechen verbreiten sie nicht nur im Bierzelt, sondern vor allem mit Hilfe der sozialen Medien. Politikwissenschaftler Johannes Hillje beobachtet hier einen neuen Trend: "Die FPÖ ist so etwas wie ein Vorreiter in der Medienstrategie rechtspopulistischer Parteien in Europa. Sie hat sehr früh schon auf die Ausbildung einer Gegenöffentlichkeit durch 'Alternativmedien' gesetzt. Und die AfD hat sich sehr viel von der FPÖ abgeguckt."

Auf YouTube produziert die Partei ihre eigene Sendung. Neben diffamierenden Videos zu Migration und EU-Politik wird auf den Kanälen eine Hasskampagne gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geführt. Zielscheibe ist immer wieder der Moderator Armin Wolf, der sich mit seinen kritischen Interviews einen Namen gemacht hat. Bei der Neujahrsansprache des FPÖ-Parteichefs Herbert Kickl in Graz war der Applaus seiner Anhänger besonders groß, wenn er gegen den ORF und Wolf hetzte. 

Diese Rhetorik führt insbesondere im Netz zu viel Aggression. Momentan ermittelt die Polizei Wien gegen einen Mordaufruf im rechten Onlineportal "Exxpress". Politikwissenschaftler Hillje sieht eine klare Methode. "Die Diskreditierung der unabhängigen Medien dient auch der Bewerbung der eigenen Social-Media-Kanäle. Man fühlt sich ja selbst als Stimme des Volkes, die keine Vermittlungsinstanz benötigt", erklärt er. "Die Partei-PR soll im Grunde Journalismus nicht wie in einer demokratischen Öffentlichkeit üblich nur ergänzen, sondern sie soll den Journalismus ersetzen."

Zankapfel zwischen Polens Parteien

Vorbild für die FPÖ wiederum ist Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban und seine Art der Medienpolitik. In Ungarn hat die regierende Fidesz-Partei im Laufe ihrer Amtszeit zunächst die öffentlich-rechtlichen Medien unter ihre Kontrolle gebracht, anschließend die Regulierungsbehörden auf Linientreue gebracht und schließlich die privaten Medien durch Aufkäufe auch zu Sprachrohren der Regierungspartei werden lassen.

"Die Regierung muss nicht viel tun, um den unabhängigen Journalismus zum Schweigen zu bringen, denn sie kontrollieren die Medienlandschaft", beklagt Tom Gibson. Mit Sorge blickt er momentan auf Polen. Seit dem Machtwechsel bleiben die öffentlich-rechtlichen Medien dort der wichtigste Zankapfel in der politischen Auseinandersetzung zwischen der abgewählten nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jaroslaw Kaczynski und der Mitte-Links-Regierung von Donald Tusk. "Das wird ein schwieriger Prozess werden, aus dem wir Lehren ziehen können, was gekaperte Medien angeht", betont Gibson.

Bis dieser Konflikt geklärt ist, bleibt die Polizei auch weiter Teil der Fernsehcrew von TV-Polska, um Moderator Zbigniew Luczynski und seine Kolleginnen und Kollegen vor Angriffen zu schützen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Europamagazin am 28. Januar 2024 um 12:45 Uhr.