Christos Stylianides, der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz

Hilfsprogramm der EU Geldkarten für Flüchtlinge in der Türkei

Stand: 08.09.2016 14:59 Uhr

Mit Geldkarten will die EU künftig die bedürftigsten Flüchtlinge in der Türkei ausstatten, um eine effektivere Versorgung zu ermöglichen. 348 Millionen Euro will die EU dafür zur Verfügung stellen. Neben Lebensmitteln und Wohnraum soll so auch Bildung finanziert werden.

Der zuständige EU-Kommissar sparte nicht an großen Worten: Von einem "bahnbrechenden Hilfsprogramm", spricht Christos Stylianides. "Es ist das umfangreichste, das die EU je finanziert hat", erklärte der Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz. Insgesamt 348 Millionen Euro sollen fließen, um eine Art soziales Netz zu schaffen für diejenigen Flüchtlinge in der Türkei, die Unterstützung am dringendsten nötig haben. Das Geld dafür stammt aus dem milliardenschweren Hilfsfonds der EU für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge in der Türkei.

Geplant ist, gut eine Million Schutzsuchende mit einer elektronischen Bankkarte auszustatten, auf der monatlich Geld eingeht. Damit könnten die Empfänger dann Essen, ein Dach über dem Kopf oder auch eine Ausbildung für ihre Kinder finanzieren. Stylianides sagte, das sei effektiver als Hilfszahlungen - weil die direkte Verteilung des Geldes Verwaltungskosten vermeide. Zudem bekämen die Flüchtlinge dadurch auch "die Würde zu wählen", für was sie das Geld ausgeben wollten, anstatt nur von Nahrungsmittelhilfen abhängig zu sein. Einen Betrag nannte Stylianides nicht. Der werde individuell ermittelt.

Etwa drei Millionen Syrer haben in der Türkei Zuflucht gefunden, wie hier im Flüchtlingslager bei Sanliurfa.

Etwa drei Millionen Syrer haben in der Türkei Zuflucht gefunden, wie hier im Flüchtlingslager bei Sanliurfa.

Zuständig für die Durchführung wird das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen sein. Doch die EU legt Wert darauf, dass die Abstimmung mit den türkischen Partnern eng sei. Das Modell nütze zudem auch örtlichen Läden und Dienstleistern in der Türkei.

Türkei beklagt ausbleibende Hilfszahlungen

Die Regierung in Ankara hatte sich wiederholt darüber beklagt, dass die im März im Flüchtlingspakt zugesagten Milliarden nur äußerst spärlich flössen. Vereinbart worden waren drei Milliarden Euro in diesem und dem nächsten Jahr für die rund drei Millionen in die Türkei geflohenen Syrer. Die EU will mit der jüngsten Ankündigung unterstreichen, dass sie zu ihrem Wort stehe. "Wir helfen der Türkei dabei, die größte Zahl von Flüchtlingen auf der ganzen Welt zu beherbergen", so der aus Zypern stammende EU-Kommissar Stylianides.

Aus dem Milliarden-Fonds ausgezahlt sind laut Kommission bisher 181 Millionen. Die Gelder gehen dabei zumeist nicht an die türkische Regierung, sondern an Hilfsorganisationen. Jeweils 300 Millionen Euro sind nach einer Kommissionsaufstellung allerdings für das türkische Gesundheits- und Bildungsministerium vorgemerkt. Weitere 60 Millionen Euro sind für die türkische Migrationsbehörde bestimmt, wovon bereits zwölf Millionen ausgezahlt wurden.

Ankara und Brüssel - es ist kompliziert

Zuletzt war die Stimmung zwischen Ankara und der EU deutlich schlechter geworden. Nach dem gescheiterten Militärputsch Mitte Juli hatte die türkische Führung mangelnde Solidarität seitens der EU beklagt. Außerdem forderte Ankara die im Flüchtlingspakt zugesagten beschleunigten Beitrittsgespräche und visafreies Reisen für ihre Bürger ein. Die Europäer kritisierten ihrerseits Massenverhaftungen und Entlassungen Tausender vermeintlicher Regierungsgegner.

Die Hilfsankündigung kommt nun am Tag vor Gesprächen der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini und Erweiterungskommissar Johannes Hahn mit türkischen Regierungsvertretern in Ankara.

Mit Informationen von Kai Küstner, ARD-Studio Brüssel

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 08. September 2016 um 15:00.