Keine Beratungen über Visafreiheit EU-Parlament auf Anti-Erdogan-Kurs

Stand: 10.05.2016 17:22 Uhr

Das EU-Parlament weigert sich, über die Visafreiheit für die Türkei zu sprechen, bevor diese nicht die geforderten Bedingungen dafür erfüllt. Es wies damit eine entsprechende Bitte der EU-Kommission zurück. Der türkische Präsident zeigte sich unbeeindruckt.

Im Europaparlament wächst der Widerstand gegen eine Abschaffung der Visums-Pflicht für türkische Staatsbürger, solange das Land nicht alle Bedingungen erfüllt hat. Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, sowie die zuständigen Koordinatoren aller Fraktionen fassten nun einen Beschluss: Sie wollen mit den Beratungen über die Visa-Befreiung erst dann beginnen, wenn die Türkei alle 72 von der EU aufgestellten Kriterien erfüllt hat. Eine "Visa-Liberalisierung für lau" könne es nicht geben, sagte eine Sprecherin.

Mit der Entscheidung weist das Parlament die Bitte der EU-Kommission zurück, das Thema rasch zu beraten. Die Abgeordneten haben bei Abkommen mit Drittstaaten ein Mitentscheidungsrecht. Somit kann das geplante Visa-Abkommen mit der Türkei ohne Zustimmung der EU-Volksvertretung nicht in Kraft treten.

Erdogan bleibt bei seiner Forderung

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zeigte sich unbeeindruckt über die neuerlichen Diskussionen in Brüssel und Straßburg. Er werde sich von der EU nicht vorschreiben lassen, wie er seine Anti-Terror-Gesetze gestalte, stellte der Staatschef erneut klar. Er hoffe, Brüssel werde sein Versprechen auch halten, die Visafreiheit bis spätestens Oktober einzuführen.

Die Reform der türkischen Anti-Terror-Gesetzgebung ist eine der zentralen Forderungen der Europäischen Union. Sie gehört zu den 72 Kriterien, welche die Türkei für die Visa-Freiheit erfüllt muss. Die EU kritisiere die türkischen Anti-Terror-Gesetze scharf, weil sie zum Beispiel die Festnahmen von türkischen Oppositionspolitikern ermöglichten und die Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei einschränkten, sagte Vorsitzende der Liberalen-Fraktion im EU-Parlament, Guy Verhofstadt.

Die Befreiung von der Visa-Pflicht ab Ende Juni wurde Ankara im Zuge der Verhandlungen über einen Flüchtlingspakt in Aussicht gestellt. Der im März vereinbarte Pakt sieht vor, dass die Türkei alle auf irregulärem Weg auf die griechischen Inseln gelangten Migranten zurücknimmt. Im Gegenzug nimmt die EU für jeden abgeschobenen Syrer einen anderen syrischen Flüchtling aus der Türkei auf.

Konsequenzen aus Differenzen

Bleibt die Frage: Was passiert, wenn Erdogan auf die Visaerleichterungen besteht, auch wenn die Bedingungen von der Türkei noch nicht erfüllt worden sind? "Statt zu versuchen, diesen Deal mit der Türkei ans Funktionieren zu bringen, sollten wir lieber dafür sorgen, dass wir bis Ende Juni einen europäischen Grenzschutz aufgestellt haben", sagte Verhofstadt. Die einzige Möglichkeit, das Flüchtlingsproblem zu lösen, liege darin, dass die EU selbst ihre Hausaufgaben mache.

Die EU-Kommission bestätigte unterdessen, dass ein für Freitag geplantes Treffen zu verschiedenen Fragen der Beziehungen mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu und Europaminister Volkan Bozkir verschoben wurde. Ein neuer Termin ist laut einer Kommissionssprecherin noch nicht festgesetzt. Von EU-Seite sollten die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und Erweiterungskommissar Johannes Hahn teilnehmen.

Mit Informationen von Karin Bensch, ARD-Studio Brüssel, zzt. Straßburg

Karin Bensch, K. Bensch, ARD Brüssel, 10.05.2016 18:53 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 10. Mai 2016 um 06:50 Uhr.