Flüchtlinge im Camp Moria auf der griechischen Insel Lesbos, Archivbild

Keine Einigung der EU Wie weiter mit dem Asylsystem?

Stand: 10.06.2017 00:54 Uhr

Nach einem EU-Innenminister-Treffen ist klar: Der Streit um das europäische Asylsystem geht weiter. Statt 120.000 - wie vereinbart - wurden bisher nur rund 18.000 Asylbewerber verteilt. Auch Deutschland nimmt weniger Menschen auf als zugesagt.

Von Sebastian Schöbel, ARD-Studio Brüssel

Bundesinnenminister Thomas de Maizière klang ziemlich frustriert: "Ich sehe keine Chance, dass wir in dem bisherigen Verhandlungsstil zu einem Ergebnis kommen", so de Maizière in Luxemburg.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (Archiv)

De Maizière zeigte sich frustriert.

Gemeint ist die überfällige Reform des EU-Asylsystems: Das sollte eigentlich noch während der aktuellen Ratspräsidentschaft Maltas beschlossen werden. Inklusive einer verpflichtenden Aufnahmequote für Asylbewerber in allen EU-Ländern. Um Druck von Italien und Griechenland zu nehmen, wo Tausende Flüchtlinge zum Teil seit Monaten auf Weiterreise warten - während sich bereits neue Flüchtlinge von Libyen aus auf den Weg machen.

"Erst einmal nur Teile beschließen"

De Maizière schlug beim Treffen mit seinen Amtskollegen vor, sich erst einmal nur auf die Teile der Asylreform zu konzentrieren, die mehrheitsfähig sind. "Die Sicherheitsbehörden warten zum Beispiel dringend auf den Zugang zu den Fingerabdruckdaten der Flüchtlinge. Wir brauchen dringend gemeinsame Asylstandards, wir brauchen dringend gemeinsame Regelungen zur Verhinderung der Weiterwanderung von in Europa verteilten Flüchtlingen", sagte er.

Bei Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos rannte er damit offene Türen ein: Die Kommission unterstütze den deutschen Vorschlag - und stelle zum wiederholten Male klar: Flüchtlinge aufzunehmen sei "Pflicht".

Auch Deutschland erfüllt Zusagen nicht

Was viele EU-Länder jedoch nur halbherzig umsetzen - oder sogar ignorieren. Lediglich etwas mehr als 18.000 Asylbewerber wurden bisher aus Italien und Griechenland auf andere EU-Länder verteilt. Vereinbart waren mal 120.000.

Viele EU-Länder - auch Deutschland - nehmen deutlich weniger Menschen aus Italien und Griechenland auf als zugesagt. Polen, Ungarn und Österreich verweigern sich sogar komplett.

Sebastian Schöbel, S. Schöbel, ARD Brüssel, 10.06.2017 07:06 Uhr

Verfahren gegen mehrere Länder

Was nun Folgen haben wird, so Avramopoulos: "Ich bin dabei, Vertragsverletzungsverfahren gegen mehrere Länder einzuleiten. Glauben Sie mir, das macht mich nicht glücklich. Aber ich muss, als Hüter der EU-Verträge."

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bestätigt nun im Interview mit dem Magazin "Der Spiegel": Schon nächste Woche könnten Strafverfahren gegen aufnahmeunwillige Länder in Gang gesetzt werden. Als mögliche Kandidaten gelten Polen und Ungarn, auch die Slowakei und Tschechien sind im Gespräch.

Tschechien nahm nur zwölf Flüchtlinge auf

Der tschechischen Regierung drohte Juncker unter der Woche sogar persönlich, als ihm in Prag ein Preis verliehen wurde: "Mich macht traurig, dass Tschechien bisher nur zwölf Flüchtlinge aufgenommen hat. Und nun droht, niemanden mehr aufzunehmen. Ich hoffe, die Regierung überdenkt das, damit wir keine Rechtsmittel bemühen müssen. Was wir werden, wenn sich nichts ändert."

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (Archiv)

"Das macht mich traurig."

Reform soll später kommen

Die EU-Asylreform soll nun in der zweiten Jahreshälfte beschlossen werden, wenn Estland die Ratspräsidentschaft innehat. Ein Land das übrigens selbst nicht gerade glänzt in Sachen Solidarität: Aus Griechenland wurden gerade einmal 122 Menschen aufgenommen, aus Italien kein einziger. Dabei hätte Estland insgesamt gerade einmal 329 Flüchtlinge zu sich holen müssen - das drittkleinste Kontingent in der ganzen EU.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 10. Juni 2017 um 08:48 Uhr und der WDR im Morgenecho um 08:48 Uhr.