Neue Anti-Terrorrichtlinie EU-Innenausschuss berät über Netzsperren

Stand: 04.07.2016 12:43 Uhr

Die Anschläge von Paris und Brüssel haben gezeigt, wie verwundbar Europa durch Terror ist. Doch die Gesetzgebung für die Terror-Strafverfolgung ist noch immer ein Flickenteppich. Wie sich das ändern ließe, ist heute Thema im EU-Parlament.

Von Sebastian Schöbel, ARD-Studio Brüssel

Belgische Experten hatten schon lange vor den Anschlägen in Brüssel gewarnt: Junge Muslime radikalisieren sich nicht mehr unbedingt in Moscheen, sondern meist im Internet, vor allem durch die digitale Propaganda des "Islamischen Staats" (IS).

Für CSU-Europapolitikerin Monika Hohlmeier steht deswegen fest: "Enthauptungsvideos oder die Verunglimpfung der Opfer des Anschlags auf das Bataclan sind Dinge, die wohl jeder mit Menschenverstand nicht in seinem Internet sehen möchte."

Deswegen will Hohlmeier, dass die EU-Staaten in Zukunft verstärkt dafür sorgen, dass solche Inhalte aus dem Netz verschwinden. Also gelöscht werden. "Außer es ist technisch überhaupt nicht möglich. Dann versucht man, sie so lange zu blockieren, bis man sie löschen kann."

Netzaktivisten laufen Sturm gegen geplante Netzsperren

Netzsperre heißt das dann - und genau da klingeln bei Netzaktivisten alle Alarmglocken. Seit Monaten laufen sie Sturm gegen die EU-Richtlinie. Weil aus ihrer Sicht die staatliche Blockade von Webseiten schnell zu Zensur regierungskritischer Inhalte führen könne. Und zweitens: Weil Netzsperren unwirksam seien, sagt der Grünen-Europaabgeordnete Jan-Philipp Albrecht. Fanatiker ließen sich davon nachgewiesenermaßen nicht aufhalten.

"Weil sie diese Sperren umgehen können. Die Inhalte sind weiter da. Man darf sich da nicht zurücklehnen und sagen: 'Aus den Augen, aus dem Sinn', sondern muss auf die Löschung hinwirken. Auf Sperren zurückzugreifen, wäre völlig ineffektiv." Für Albrecht ebenfalls problematisch: Im bisherigen Entwurf der Anti-Terrorrichtlinie fehle der Zusatz, dass Netzsperren von einem Gericht genehmigt werden müssen.

Monika Hohlmeier

Monika Hohlmeier sieht die Meinungsfreiheit nicht gefährdet.

Was viele Netzaktivisten zudem umtreibt: Die Richtlinie stellt aus ihrer Sicht auch verschlüsselte Internettechnologien wie das sogenannte Tor-Netzwerk oder andere Anonymisierungsdienste unter Terrorverdacht.

Überhaupt: Der Terror-Begriff werde in der Richtlinie viel zu umfassend verwendet, kritisiert  die Linken-Europapolitikerin Cornelia Ernst. Mit dem Ergebnis, dass besonders lautstarke Regierungskritiker in Zukunft schnell als etwas ganz anderes bezeichnet werden könnten." Formulierungen, die wirklich nicht präzise sind und für Missbrauch eine ganze Menge Spielraum lassen, lehnen wir ab."

Dazu kommt, dass die Richtlinie ohne die sonst übliche Folgeabschätzung auskommen soll - also eine Untersuchung, was sie eigentlich bewirken würde. "Das ist schon harter Tobak. So kann man keine Gesetze machen. Oder Richtlinien, die Gesetze werden", so Ernst.

Monika Hohlmeier fürchtet keine Zensur

Monika Hohlmeier von der CSU, die die Anti-Terror-Richtlinie mit ausgearbeitet hat, sieht das freilich anders: Die neue Anti-Terrorrichtline werde keine Zensur-Schneise durch das Internet schlagen, sagt sie. "Die Freiheit der Rede, die Freiheit des Denkens, die Freiheit, auch mal eine radikale Meinung zu formulieren: Das alles ist davon nicht betroffen."

Heute soll der zuständige Justiz- und Innenausschuss im EU-Parlament die Richtlinie verabschieden, danach wird sie zwischen Parlament, Kommission und Europäischen Rat ausverhandelt. Am Ende sollen - so will es die Opposition im Parlament - alle EU-Volksvertreter noch einmal darüber abstimmen.

Sebastian Schöbel, S. Schöbel, ARD Brüssel, 04.07.2016 10:45 Uhr

Dieses Thema im Programm: Dieser Beitrag lief am 04. Juli 2016 um 05:45 Uhr im Deutschlandfunk.